Der Kollateralleser

Der Kollateralleser

Kategorie: Buchkonzept und Exposé

Er zieht durch dunkle Gassen. Er lauert hinter Ecken. Er ist der, mit dem Sie ganz bestimmt nicht rechnen!

Sind Sie gerade dabei, Ihre Zielgruppe kennenzulernen? Sehr schön, so soll es auch sein. Wer ein Sachbuch schreiben will, muss vorher – ich wiederhole: vorher! – über seine Zielgruppe so genau wie möglich Bescheid wissen.  Gut, dass Sie das angehen. Wenn Sie mein Buch „Zur Sache, Experten!“ zurate gezogen haben, dann haben Sie sich ja schon mit Zielgruppen herumgeschlagen und wissen auch, dass Sie unmöglich für alle schreiben sollen (und können).

Wäre da nicht die Verführung

Sie ist ganz schön hartnäckig, die Verführung, ich erlebe das immer wieder im Autorencoaching: Da gibt es endlich – nach längerem Hin und Her – ein klares Commitment für eine schön konkrete Leserschaft, sagen wir ein Buch über den Line Dance für „alle, die diesen Tanz gerne lernen möchten“. Begeistert beginnt die geneigte Autorin am Manuskript zu schreiben. Und irgendwann dann der Rückfall: „Aber es wäre doch toll, wenn andere Tanzlehrer dieses Buch auch kaufen! Die könnten mein Buch dann empfehlen …“

Zack, schon ist die Autorin beim Schreiben voll in der Expertenfalle und fabuliert über theoretische Dinge, die ihr tanzlernwilliges Publikum weder versteht noch interessant findet, weil irrelevant. Das Ergebnis: Themenverfehlung (würde meine Deutschlehrerin sagen)!

Nicht „mitgemeint“ und doch gekauft

Dabei ist es doch ganz einfach: Es wird immer Menschen geben, für die Sie NICHT schreiben, und die Ihr Buch TROTZDEM kaufen. Aus verschiedenen Gründen, im obigen Fall kaufen andere Tanzlehrer das Buch vielleicht genau deshalb, weil sie wissen wollen, ob sie es ihren Schülern empfehlen können. Und es gibt noch viele andere, die dieses Buch kaufen könnten, ohne dass sie „mitgemeint“ wurden beim Schreiben: Bewegungs- und Tanztherapeuten auf der Suche nach neuen Ideen etwa oder Choreografen für Film und Theater. Nicht wahr, an die hätten Sie nicht gedacht!

Es wird also immer jemanden geben, für den Sie nicht schreiben, und der das Buch trotzdem kauft. Das ist der Kollateralleser. Das ist doch eine gute Nachricht, oder? Lehnen Sie sich entspannt zurück. Kümmern Sie sich um die Menschen, denen zu helfen Ihnen ein echtes Anliegen ist.

Die homogene Zielgruppe

Es hat noch keinem Buch, keiner Autorin und keinem Leser gutgetan, wenn Sie für alle schreiben. Mein Plädoyer: Schreiben Sie für möglichst viele zwar, aber bitte niemals für alle. Sie kennen das Sprichwort „Willst du es allen recht machen, machst du es niemandem recht“. Dass dieser Satz ausgerechnet einem Sklaven der griechischen Antike zugeschrieben wird, sagt doch so einiges, oder?

Wenn Sie für eine homogene Zielgruppe schreiben und sich um Ihre Kollateralleser nicht weiter kümmern, hat das ganz wunderbare Vorteile:

  1. Das Schreiben wird zum wahren Vergnügen, weil Sie nicht ständig in die Zwickmühle geraten. Die Frage, die immer wieder auftaucht, heißt nämlich: Soll ich das auch noch hineinschreiben oder nicht? Wenn Sie nur ein Publikum haben, ist sie schnell beantwortet: Ist dieses Detail aus Lesersicht sinnvoll? Braucht der Leser dieses Wissen, um sein Problem zu lösen? Wenn nicht – weg damit. Egal, ob der Kollateralleser es mögen würde oder nicht!
  2. Ihre potenziellen Käufer freuen sich: Sie nehmen das Buch zur Hand, blättern kurz hinein und wissen sofort, dass es für sie geschrieben ist.
  3. Später, wenn Sie Ihr Buch vermarkten, werden Sie dankbar sein, Ihre Zielgruppe so klar eingegrenzt zu haben!

Und Ihre Kollateralleser? Die greifen zu Ihrem Buch ohnehin aus ganz anderen Gründen, und wären bloß sehr irritiert, wenn ein Laienbuch mit Fachvokabular gespickt wäre oder umgekehrt. Das wäre auch nicht gut bei jenen, die Ihr Buch weiterempfehlen möchten: Denken Sie an den Tanzlehrer oben, der ein uneindeutig zuordenbares Buch vorfindet und sich dann fragt, ob er seinen Schülerinnen und Schülern das Buch wirklich empfehlen kann, weil da doch so viel unnötige Theorie und Fachchinesisch drin ist. Tja, Sie sehen, da würden Sie sich ins eigene Knie schießen!

Machen Sie sich also nicht zum Sklaven aller. Sorgen Sie dafür, dass Ihre primäre Zielgruppe groß genug ist, aber so, dass sie dasselbe Anliegen hat und damit homogen ist. Weil es ein bestimmtes Problem gelöst haben will. ODER (nicht und!)  weil es sich in seinem Metier weiterbilden will. Sollten Sie tatsächlich sowohl für Laien als auch für Ihre Expertenkollegen ein Buch scheiben wollen, dann heißt das für Sie nichts anderes als: Schreiben Sie zwei Bücher!


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