Über den wertschätzenden Umgang mit Sprache

Über den wertschätzenden Umgang mit Sprache

Kategorie: Ansichtssache

Als Autorin ist mir ein wertschätzender Umgang mit Sprache wichtig – und zwar ganz im Sinne von „meaoiswiamia“, dem österreichischen Claim auf der Leipziger Buchmesse 2023: Freuen wir uns über die Vielfalt und nehmen wir alle Sprachvarianten ernst.

Vor einigen Jahren war es, in Winterthur in der Schweiz. Die Zürcher Hochschule hatte ein Curriculum im Angebot, das mich brennend interessierte: Schreibberatung. Ein Jahr lang dauerte diese Ausbildung, verschiedene Spezialistinnen und Spezialisten leiteten die Seminarmodule. Unter anderem kam ein Lektor aus Norddeutschland, um uns in Sachen Sprachfeinheiten aufzuschlauen. Auch über Interpunktion wurde selbstverständlich gesprochen.

„Aber wo gehört denn hier der Beistrich? Oder ist der fakultativ?“, fragte ich in die Runde. Ich, die einzige Österreicherin unter den Teilnehmenden.

„Ich finde das immer lustig, wenn ihr Österreicher vom Beistrich redet, wenn ihr ein Komma meint“, amüsierte sich eine Teilnehmerin, es wurde gekichert.

„Wenn ich Beistrich höre, klingt das für mich immer wie Beischlaf“, sagte der Herr Oberlektor.

Du musst wissen, ich lache gern. Auch über mich. Wirklich! Aber bei diesem Scherz blieb mir irgendwie das Lachen im Hals stecken. Ich ärgerte mich.

„Also ganz ehrlich“, sagte ich, „besser Beischlaf als Koma, oder?“ Eine Sternstunde meiner Schlagfertigkeit, und ich hatte die Lacher schnell auf meiner Seite. Von allen, nur vom Herrn Oberlektor nicht, dem habe ich in sein Selbstdarstellungssüppchen gespuckt.

Ich bin sicher, er hat es nicht böse gemeint. Gedankenlos war es auf jeden Fall, vielleicht auch der verzweifelte Versuch, die doch etwas trockene Materie aufzulockern. Aber ich finde, über Sprache Scherze zu machen, da muss man aufpassen, da kann man sich unbeliebt macht.

Sprache ist so wunderbar bunt und schön und kreativ!

Wenn ich im deutschsprachigen Ausland bin und meine Gesprächspartner so ein ganz leichtes Lächeln in den Mundwinkeln hängen haben, weil sie meine Aussprache mögen, das gefällt mir. Wenn mir manche ganz begeistert vorschwärmen, wie sehr sie „das Österreichische lieben“, das mag ich gern. Es gibt Schlimmeres, als andere Menschen zu erfreuen, nur weil man ein bisschen den Mund aufmacht. Wenn wir gemeinsam über die diversen Spracheigenheiten scherzen – super.

Etwa, wenn ich „Passt schon!“ sage und „keine Ursache“ meine. Wenn ich im Hotel einen flacheren Polster verlange und mit „Kissen“ übersetzen muss. Oder wenn ich bei einer Terminabstimmung nach langem Hin und Her freudig „Ja, das geht sich aus!“ rufe – ein Unterhaltungsgarant. „Kann ich bitte ein Sackerl … äh Tüte … äh Beutel haben?“, und schon haben wir einen gemeinsamen Grund zu lachen, vor allem, wenn mein Gegenüber mir dann das Ding überreicht und meint, für sie wäre das eine „Tasche“.

Wenn Sprache zum „Spracherl“ wird

Bei „Ach, dein Dialekt ist so süüüüß!“ – nun, da kommt es wohl auf den Tonfall an. Doch erstens ist Österreichisch kein Dialekt, sondern eine Sprachvariante des Deutschen, wenn auch mit nicht annähernd so vielen Unterschieden wie beim Schweizerdeutsch. Im Gespräch mit Nichtösterreichern habe ich bestimmt ab und zu dialektale Einschläge, aber im Grunde bemühe ich mich um Standardsprache – mit österreichischem Zungenschlag natürlich, und wir verschlucken gern den einen oder anderen Buchstaben. Das wird dann manchmal mit Dialekt verwechselt.

Und zweitens: Süüüüß? Nun, ich verstehe schon, wir haben ein paar lustige Gepflogenheiten wie z. B. die Endung -erl fürs Diminutiv, die ich übrigens selbst lustig finde. Bei uns geht Zwerg noch ein Stück(erl) kleiner, das ist dann ein Zwergerl. Vielleicht ist auch unser österreichischer Akzent ganz generell „lieb“ anzuhören, auch wenn ich persönlich haushohe Unterschiede zwischen Wien, Kärnten oder Tirol ausmache. Österreichisch ist viel weicher, sagte mir einmal eine nicht deutsch sprechende Italienerin. Sie dachte, das wäre sowieso eine eigene Sprache, weil sie so anders klinge. Andererseits sind lieb und süß Wörter, die eine Verniedlichung in sich tragen. Als wäre Österreichisch keine Sprache, sondern nur eine kleine Sprache. Ein Spracherl sozusagen. Vermutlich ist es das, was mir hochkommt, wenn es jemand „so süüüß“ findet, wenn ich spreche. Ich will nicht „süß“ sein, wenn ich mich mit jemandem unterhalte, ich will ernstgenommen werden.

Wessen Sprachvariante ist „richtig“?

Doch so richtig schlimm leidet meine sprachverliebte Autorenseele, wenn sich eine gewisse Arroganz in die Sprachbewertung einmischt wie beim Herrn Oberlektor. Wem, bitte schön, steht es zu, über die verschiedenen Varianten, die unsere Sprache hergibt, zu richten? Ich leide erst recht, wenn Sprache abgewertet wird. Eine Deutsche gestand mir vor vielen Jahren zerknirscht, ihren österreichischen Kollegen für minderbemittelt gehalten zu haben („Nicht einmal ordentlich Deutsch kann er!“). Er hatte von einer „Versicherungspolizze“ gesprochen. Nicht nur, dass sie dieses Wort (für Versicherungsvertrag) nicht kannte, war ihr seine Aussprache fremd, er hatte es österreichisch mit Doppel-z ausgesprochen.

Besonders traurig macht es mich jedoch, wenn meine eigenen Landsleute das Österreichische abwerten. „Ich sage Tomaten und Kartoffel“, sagte mir einmal eine gebürtige Wienerin. „Weil Paradeiser und Erdäpfel, das klingt so primitiv.“ Primitiv? Sie konnte mir leider nicht sagen, warum sie das so empfindet. Ich finde „Paradeiser“ wunderschön, wo man doch den Paradiesapfel, von dem das Wort stammt, so schön drin findet. Was hat das mit Primitivität zu tun? Ich wage gar nicht darüber nachzudenken, ob sie mich somit auch als primitive Person eingeschätzt hat. Denn ich bevorzuge Paradeiser (und ja, die Cocktail-Tomaten nenne ich Paradeiserl, logo!).

Der Sprache ein Kompliment machen

Ich liebe die Vielfalt der Sprachen. Wenn ich einer Schweizerin zuhöre, die freundlicherweise Standardsprache mit mir spricht, tauche ich erfreut in ihren Schweizer Akzent ein und sammle insgeheim Wörter, die ich nicht oder anders verwende. Das Auto „parkieren“. Das „tönt“ aber gar nicht gut. Manchmal sage ich dann auch, dass ich das Schweizerische sehr gern höre. Süß kommt mir nicht über die Lippen. Da bin ich vorsichtig, könnte ja sein, dass mein Gegenüber genauso empfindlich ist wie ich.

Im Grunde wollen wir dem Gegenüber ja ein Kompliment machen. Also – dieser Oberlektor aus der Schreibberaterausbildung nicht, der wollte sich nur als har-har-wie-lustig profilieren auf Kosten meiner Muttersprache. Aber jedes „ich muss immer lachen, wenn ich dich reden höre“ finde ich ein bisschen grenzwertig. Da rutscht man am Grat zwischen „nett gemeint“ und „lächerlich gemacht“ schnell einmal ab.

Du meinst, das wäre pingelig? Vielleicht. Mir ist ein wertschätzender Umgang mit Sprache nun einmal wichtig. Die Muttersprache ist identitätsstiftend. Wer sie nicht ernstnimmt, nimmt dem Sprechenden ein Stück Identität. Umso genialer finde ich den österreichischen Slogan auf der Leipziger Buchmesse 2023. „Meaoiswiamia“ – mehr als (wie) wir – ist so genial! Es nimmt jede „mia san mia“-Mentalität auf die Schaufel und macht daraus das, wofür hoffentlich sehr viele stehen: für Offenheit. Auch in Bezug auf den Respekt vor jeder Sprache.

4 Comments

  1. Also, Paradeiser ist doch viel schöner als das schnöde Tomate. Und Aardappel (holländisch – Region Holland in den Niederlanden) bzw Erdappel (emsländisch-nordmünsterländisches Platt) gibt es im Norden ebenso.
    In den ersten Tagen meines Studiums kaufte ich übrigens, wir lachen manchmal heute noch drüber, zusammen mit einer badischen Kommilitonin in einem Hofladen bei Chorin im Barnim ein. U. a. wollten wir „normale Brötchen bzw. Semmeln“ und Kartoffeln. Ham wer nich. ?? Ach so, Schrippen und Nudeln wollen Se, na dann saagen Se das doch“, muffelte die Verkäuferin im breiten Dialekt.
    Nudel für Kartoffel fanden wir herrlich!

    Ohne Sprachvarianten und Dialekte wäre das Hochdeutsche nicht zu ertragen, viel zu steril.

  2. Also, ich als Oberbayer mag die österreichischen Dialekte (auch wenn ich sie nicht auseinanderhalten kann).

    Und das Leipziger Motto „Meaoiswiamia“ fand ich einen wunderbaren Seitenhieb gegen das Miasanmia, das die CSU-Bayern pflegen.

  3. Gut gesagt! Als einer, der viel in Deutschland gearbeitet hat, habe ich das erfreute Lächeln ob meines Akzents oft erlebt. Und die Freude über diese Freude wurde mir dann genommen, wenn meine „Fehler“ korrigiert wurden. Das man nicht sicher ist, wie man meine Bitte um einen anderen Sessel verstehen soll – eine Nachfrage wäre angebracht, kein Erklärung, dass das eigentlich ein Stuhl sei, was ich meine.
    Meine Muttersprache als Fehler, das ist das, was mich jedesmal kränkt.

    • Lieber Thomas, oje, korrigiert zu werden, das braucht wirklich niemand. Ich fühle mit dir!

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