Wünschomanie: erfolgreich erledigt

Wünschomanie: erfolgreich erledigt

Kategorie: Leichter leben, leichter schreiben

Erfolgreich soll das Jahr sein. Und was genau meinen wir damit? Eine kritische Betrachtung.

Hätten wir also die Festtage überstanden. Irgendwie ist innerhalb viel zu kurzer Zeit zu viel von allem vorhanden, finden Sie nicht? Vier Adventwochenenden, drei Weihnachtsfeiertage, Silvester und die Heiligen drei Könige in gerade mal fünf Wochen! Ein Festtagsmarathon! Zu viele Feiern, zu viel Punsch, zu viele Kekse, zu viele Pflichttermine. Zu viel Jahresabschlussstress.

Und es werden jede Menge Wünsche ausgetauscht. Mir scheint jedes Mal, dass das kein Ende nimmt. Spätestens in der Weihnachtswoche habe ich den Überblick verloren. Wem habe ich jetzt schon zum wohl wievielten Mal gratuliert? Und was genau wünsche ich da eigentlich, wenn ich ein „gutes“ oder ein „erfolgreiches“ neues Jahr wünsche?

Vielleicht liegt es daran, dass ich als Schreibprofi einen natürlichen Abwehrreflex vor Plattitüden habe. Vielleicht bin ich aber auch nur ein bisschen masochistisch, denn sich damit zu befassen, was für jeden Einzelnen der wohl treffendste Wunsch ist, das ist schon ganz schön anstrengend. Wie auch immer. Ich hätte das jedenfalls gern konkreter.

Erfolg: Was ist das?

Von allen Wünschen beäuge ich das „erfolgreiche“ neue Jahr mit besonderem Argwohn. Das ist so ein Wort, das so tut, als wäre alles klar. Dabei ist überhaupt nichts klar! Ist es die gelungene Umsetzung eines Vorhabens? Oder die lang ersehnte Versöhnung mit Ihrem Herzensmenschen? Oder doch der wirtschaftliche Gewinn?

Wie sehr das Wort „Erfolg“ im unklaren Nebel dahinwabert, zeigt auch ein Spruch, der immer wieder durch die sozialen Medien geistert und dem Dalai-Lama zugeschrieben wird: „Der Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr. Der Planet braucht dringend Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Art.“

Ich finde das irritierend: Sind Friedensstifter denn nicht erfolgreich? So wie es dasteht, könnte man meinen, es handle sich um zwei verschiedene Spezies: die Erfolgreichen – und die anderen. Auch wenn ich davon ausgehen kann, dass das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen ist, so zeigt es doch, wie es mit unserem Verständnis von Erfolg bestellt ist. Geht es wirklich nur um Wohlstand und Macht? Als Geschichtenerzählerin frage ich mich: Ist es nicht auch ein Erfolg, Menschen zu unterhalten? Eine Liebesbeziehung pflegen – ist das kein Erfolg? Aus einer gescheiterten Liebe zu lernen, weil man dennoch Liebe in sich trägt – kein Erfolg? Na aber hallo!

Nicht nur Karriere, Ruhm und Geld

Mir scheint, dass die Wirtschaft unser Denken über den Erfolg stark färbt: Das System Wirtschaft funktioniert über den Code „Geld oder kein Geld“. Erfolg hat man daher dann, wenn man Gewinn erwirtschaftet. Oder die Karriereleiter hinaufklettert und viel Kohle scheffelt. So kam das Wort wohl zu der Ehre, für viele rein monetär assoziiert zu werden. Und doch gibt es so viele Erfolge, die nicht mit Geld zu messen sind.

Ein bisschen erinnert mich das an die Definition von Glück. Auch da hat jeder ein bisschen ein anderes Bild – bzw. ist dieses Bild sehr verschwommen. Erst wenn man es konkreter runterbricht, wird es klarer (wie das z. B. die Glückstrainerin Heide-Marie Smolka in ihrem Buch tut). Genau das sollten wir auch mit dem Erfolg tun: Erst wenn wir ihn näher bestimmen können, sehen wir ihn deutlich vor Augen.

Wenn wir das große, abstrakte Wort herunterbrechen in kleinere, dafür aber konkrete Ideen, wenn wir akzeptieren, dass es wohl so viele Definitionen von Erfolg gibt wie Menschen auf dieser Welt, und wenn wir auch die ganz kleinen Dinge des Lebens als erfolgreich einstufen können, dann bereichert das unser Leben auch ganz ohne Mammon. Auch ein Erfolg, nicht?

Pars pro toto: Ein Teil spricht für das Ganze

Im Übrigen ist das Konkretisieren, das Herunterbrechen abstrakter Begriffe nicht nur hilfreich, wenn es darum geht, jemandem mehr als nur vage Wünsche zu senden. Es ist auch ein schreibtechnischer Kunstgriff. Er hilft, den Lesern Bilder in den Kopf zu setzen: Nicht die „Mehlspeise“ lässt Ihnen das Wasser im Mund zusammenrinnen, sondern die Schwarzwälder-Kirsch-Torte mit dem Schlagobers-Häubchen oben drauf.

Da sieht man wieder: Schreiben macht klug und weise. Weil man gezwungen ist, auch die kleinen Dinge im Blick zu behalten. 😉

Bleibt mir noch, Ihnen etwas für das Jahr 2016 zu wünschen. Das ist jetzt natürlich wieder schwierig. Ich versuch’s: Mögen Sie zu Silvester auf ein Jahr zurückblicken und zufrieden sein mit dem, was Sie getan haben. Viel Mut und Liebe wünsche ich Ihnen dafür.

 

(Foto: Daniela Pucher)

 

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