Über das schöne Gefühl, tiefenentspannt zu arbeiten
Der Sommer war herausragend. Zum ersten Mal seit meiner Studienzeit hatte ich zehn Wochen Auszeit am Stück. Grandios! Dieses befreiende Gefühl der ersten Tage. Die tausend Ideen im Kopf, was man mit der vielen freien Zeit nun alles anstellen will – und die weise Gewissheit im Hinterkopf, dass man vermutlich nichts von alldem wird umsetzen. Dann die kurzen Abstecher aufs Land, die jungen Kukuruzfelder des frühen Sommers, die noch zart grasig riechen. Die flirrend-feuchte Hitze über den Wiesen, die gegen Ende Juli staubtrocken wird. Die schweißtreibende Backofen-Großstadt. Ende August dann abgeerntete Felder und mein Favorit: die späte Augustsonne, die nach der trägemachenden Hitze endlich die Sinne wieder erfrischt. Sie dreht gewaltig an der Tiefenschärfe und hält einem den Goldfilter vors Auge. Ich kann mich nie sattsehen an dieser Altweibersommerwelt.
Tatsächlich habe ich zehn Wochen lang so gut wie nichts gemacht. Mein Sommer bestand aus Sport und Bewegung an der frischen Luft, viel lesen unter Bäumen, auf Parkbänken, im Schwimmbad, am See und auf der Couch – und ausgiebigem In-die-Luft-Schauen. Ich hatte für meine Timeout ein großes Vorhaben, nämlich nichts vorzuhaben. Das habe ich durchgezogen.
Die Entdeckung der Langsamkeit
Das Gute am Nichtstun ist, dass man es nicht schnell machen kann. Ich wurde über die Wochen also so richtig schön langsam. Ich lernte, dass es nicht schlimm ist, wenn man auf dem Weg ins Bad das Geldbörsel vergessen hat. Dreht man halt um und kommt eine halbe Stunde später ins Bad. Ist doch egal! Und man muss auch nicht mit sich selbst schimpfen, dass man so vergesslich ist. Auch das lästige Warten bekommt eine andere Bedeutung. Was macht es schon für einen Unterschied, ob man eine halbe Stunde auf die Freundin wartet oder eine halbe Stunde einfach nur so für sich dasitzt und nichts tut? Nichtstun war ja sowieso meine Hauptbeschäftigung.
Das Nichtstun ist mir so sehr ins Blut übergegangen, dass mir am ersten Arbeitstag letzten Montag selbst die hundert anstehenden Updates nichts anhaben konnten. Was mich normalerweise zur Weißglut bringt, lässt mich also derzeit offenbar ziemlich kalt. Updates zwingen einen schließlich zur Untätigkeit, und darin bin ich zurzeit total geübt.
Jetzt, nach der ersten Arbeitswoche, bin ich immer noch tiefenentspannt. Es ist ein sehr seltsames Gefühl, aber ich weiß nicht so recht: Ist es das Arbeiten, das sich zur Entspanntheit gesellt, das komisch und noch ungewohnt ist, oder ist es das Entspannte, das mir ein neues Gefühl fürs Arbeiten gibt? Ich habe den Verdacht, es ist Letzteres.
Erst jetzt erkenne ich so richtig den Effekt der Auszeit: Ich gehe sehr behutsam mit mir um. Ich bin immer noch in einer langsameren Gangart unterwegs und ich hoffe, dass ich das noch lange so beibehalten kann. Wenn mir das gelingt, dann brauche ich nächsten Sommer nicht wieder eine so lange Auszeit vor lauter Erschöpfung. Auch schade eigentlich 🙂
PS: Da fällt mir gerade ein, dass ich schon einmal geschrieben habe, wie wichtig es wäre, sich täglich dem Nichtstun zu widmen, wenn auch nur kurz. Geht ganz einfach! Nachzulesen hier: Ein Quäntchen Urlaub jeden Tag
Freue mich für dich, dass du dir diese Auszeit gegönnt hast 🙂 und ja, das sollte man in seinen Alttag einfach einbauen! Einfach… ist es wohl nicht, aber mit deiner Erfahrung, wahrscheinlich sogar möglich. Ich wünsche es dir! … und mir auch 😉
Busserl
sabine
Jeden Tag ein bissl ins Narrenkastl schauen (nur zum Beispiel), das sollten wir hinkriegen! 😉