Bücher schreiben. Warum tut man sich das an?

Bücher schreiben. Warum tut man sich das an?

Kategorie: Danielas Melange

„Warum eigentlich?“, fragte mich Julia Dombrowski, die mich für einen Blogbeitrag des Outdoor-Ausstatters Fifty Five über meine sportlichen Ambitionen interviewte. Während ich mir überlegte, warum ich auch bei Niederlagen nicht so leicht die Flinte ins Korn werfe, dachte ich: Diese Frage ist doch universell! Denn auch beim Bücherschreiben wurde ich schon gefragt: Warum, um Himmels Willen, tust du dir das an, ein ganzes Buch zu schreiben?!

Ja, es gibt sie, die unsäglichen Situationen: Wenn der Abgabetermin sich bedrohlich vor mir aufbäumt und mir schlaflose Nächte beschert, die Sätze nicht so flockig aus den Fingern fließen, wenn ein Thema sich übermächtig vor mir auftürmt, die Ideen sich sperren, dann finde ich diese Frage höchst berechtigt. Gottergeben leide ich vor mich hin und verwünsche den Tag, an dem ich mich für diesen Job entschieden habe. Dann werde ich langsam wütend. Das gibt es doch nicht, dass ich keine geraden Sätze hinkriege! Und überhaupt! Interessanterweise fällt mir immer sehr spät ein, dass ich eigentlich ein ganzes Repertoire an Schreibtechniken auf Lager hätte, die mir helfen würden. Ja, ich weiß, was Sie jetzt denken: Das ist, als ob ein Koch vor dem eigenen Herd verhungert, obwohl der Kühlschrank voll ist. Es will halt auch das Leiden ordentlich kultiviert werden.

Ja, es gibt Profischreiber, die haben beim Schreiben noch nie gelitten. Als ich für ein Schreibseminar bei Wolf Schneider einen Text über Schreibblockaden einreichte, konnte Herr Schneider es sich nicht verkneifen, neben seinen vielen sprachlichen Korrekturen am Ende anzumerken: „Ich kenne sowas ja nicht.“ Wie dem auch sei. Ganz sicher kenne ich jedoch weitaus mehr Menschen, die sich selbst bei kürzeren Texten quälen. Geschweige denn bei einem 300 Seiten langen Buchmanuskript.

Das Salz in der Suppe

Es scheint, als wäre Leiden vonnöten, um etwas Gutes zu schaffen. Wären wir beim Schreiben immer nur glücklich, wer weiß, welch fade Texte es auf dieser Welt gäbe. Ich bin ehrlich gesagt auch nicht sicher, ob ich zum Beispiel in meinem Leben nur und ausschließlich glücklich sein wollte. So ohne Facetten stelle ich mir das ziemlich langweilig vor. Und solang Bücher ein Spiegel des Lebens sind, solang wird auch das Schreiben an sich wie das Leben sein: nicht nur lustig. Es macht Spaß, mit Worten Bilder zu erschaffen. Es erfüllt einen, wenn Leserinnen und Leser gebannt, interessiert sind und sich unterhalten fühlen. Es quält einen, wenn man nicht um die Burg die richtige Metapher findet. Man plagt sich, damit die Sätze flockig daher kommen. Wer behauptet, dass ein leichter Text einfach zu schreiben ist, hat es noch nie probiert; oder er macht sich was vor.

Proust, Kafka, Highsmith: Wir sind in guter Gesellschaft

„Es ist wahrhaftig abscheulich, sein ganzes Leben dem Schreiben eines einzigen Buchs unterzuordnen“, sagte Marcel Proust. Und: „Nach zehn Seiten bin ich erschöpft!“ Trotzdem konnte er nicht anders, als an seinem Monumentalwerk zu schreiben. James Joyce schrieb an Ulysses tagtäglich, sieben Jahre lang. „Fast 20.000 Stunden“, so schätzte er. Wenn er sich nicht verzählt hat, dann hat er täglich, Montag bis Sonntag, im Schnitt knapp 8 Stunden gearbeitet! Das kann nicht nur ein Spaß gewesen sein. Auch Patricia Highsmith dürfte mehr gelitten als genossen haben, für sie war das Schreiben mehr ein Zwang. Wenn sie nicht schrieb, ging es ihr schlecht. Und dass Kafka kein einfaches Leben hatte, ist den meisten bekannt. Er arbeitete von 8 bis 14 Uhr bei einer Versicherung, der Rest desTages und der Nacht war strikt verplant mit Essen, Schreiben, Turnen. Er litt an Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Seine Nacht, so sagte er, bestehe aus zwei Teilen, einem wachen und einem schlaflosen. Von wegen Qualen! *)

Und doch haben all diese Schriftsteller uns Großartiges hinterlassen. Weil sie trotz allen Leids nicht anders konnten als Bücher schreiben. Ich finde das ein bisschen beruhigend.

*) Quelle: Mason Currey, Musenküsse. Die täglichen Rituale berühmter Künstler, Kein & Aber, 2013

 

Über die Faszination des Bücherschreibens, Teil 1

 

4 Comments

  1. Sehr guter Beitrag! Ja, warum eigentlich? Ich kenne das ja nur zu gut. Warum schreibt man? Aus Zwang? Aus Leidenschaft? Ich weiss es ehrlich gesagt auch nicht … ich weiss nur, dass ich weiter mache … Egal, wo ich lande … Vielen Dank, dass ich nun weiss, dass ich nicht alleine bin 🙂 Herzliche Grüße Christina S.

    • Zum Glück ist Bücherschreiben ja nicht nur leidvoll, sondern auch höchst inspirierend und beglückend. Ich nehme mal an, dass es etwas damit zu tun hat, warum wir uns das antun. Wie beim Sport: Man beißt die Zähne zusammen und nimmt Muskelkater und Verletzungen in Kauf – in dem Glauben daran, sich am Ende über einen Erfolg freuen zu können! 🙂

  2. Gut ge/beschrieben, Daniela. Bei mir ist es so, dass ich über die Anfänge nie hinaus komme. Ich texte beruflich den ganzen Tag im Kundenauftrag. Wenn ich mich zwischendurch hinsetze, um einen Roman zu texten, ist das erst entspannend. Solange ich im Flow bin. Aber dann beginne ich zu zweifeln … Dazu kommt, dass es sich schon um einen autobiografisch angehauchten Roman handelt. Jedenfalls freue ich mich auf den Tag, an dem ich tatsächlich zielgerichtet meine Story schreibe bis zum Ende. Wenn du Tipps hast, wie man das hinbekommt … Liebe Grüße, Daniela

    • Liebe Daniela, wir scheinen nicht nur den Vornamen gemeinsam zu haben. Auch ich versuche es immer wieder. Romananfänge habe ich jedenfalls schon genug. Mir helfen derzeit verschiedene konkrete Vereinbarungen, die ich mit Menschen treffe, die a. auch schreiben b. mit mir verlässlich Termine einhalten und c. professionell genug sind, um mir auch bei Bedarf ordentlich auf die Zehen zu treten! Vielleicht würde das auch dir helfen?

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