Weihnachtswünsche

Weihnachtswünsche

Kategorie: Danielas Melange

„Sag, was wünschst du dir eigentlich zu Weihnachten?“, fragt sie beim Sonntagsfrühstück.
„Nichts“, sagt er. „Ich hab ja schon alles.“
„Aber ich kann dir doch nicht nichts schenken“, sagt sie.
„Da hast du Recht“, sagt er. „Ist schwierig einzupacken. Weißt du denn, was du dir wünschst?“
„Ach, ich wüsste schon etwas.“, sagt sie. „Allerdings kann man das nicht kaufen. Ich wünsche mir, dass ich wieder jung bin. Jung und schlank und faltenfrei und schön. Das wär was!“
„Aber wieso denn! Du bist doch schön!“
„Das sagst du nur so.“
„Liebelein, das sag ich nicht nur so. Ich liebe dich wirklich genauso, wie du bist.“
„Hm.“

Sie schweigen. Ab und zu raschelt die Zeitung in ihrer Hand. Er nippt an seinem Kaffee und blickt gedankenvoll durchs Fenster.
„Stell dir vor, du würdest jeden Tag einen Tag jünger, anstatt älter werden“, sagt er. „An jedem Tag würden deine paar Falten ein klitzekleines Stückchen weniger werden. Jeden Monat würde eines deiner Haare wieder braun statt grau werden. Was würde dir das bringen?“
„Na hör mal, das wäre doch wunderbar!“
„Aber mit jedem Tag müsstest du auch eine Begebenheit aus deinem Leben streichen, jeden Tag hättest du ein Erlebnis, eine Erfahrung weniger.“
„Na, um manche Erfahrungen wäre es nicht schade.“
„Schon, aber andere Erlebnisse – denk nur an unser letztes Wochenende, als wir in Tirol am Gletscher waren. Weiße Berge, blauer Himmel, wir zwei beim Schifahren und anschließend an der Schirmbar. Nur du und ich.“
„Stimmt, das war fast kitschig, so schön war das.“
„Siehst du, das müsstest du aus deinen Erinnerungen streichen. Und jeden Tag noch etwas anderes. Du hättest täglich Verlustgefühle!“
„Da hast du allerdings Recht, Verlustgefühle mag ich nicht.“ Nach einer Weile lacht sie. „Ich habe auch nicht gesagt, dass ich jung werden will. Ich will nicht jung werden, ich will jung aussehen. Jetzt, sofort!“
„Du möchtest also, dass ich dir einen 10er-Block Botox-Behandlungen schenke.“
„Nein. Das auch nicht.“

Wieder schweigen sie.
„Also wenn du so vom Alter sprichst“, sagt er schließlich, „dann würde ich mir eher wünschen, alt zu werden.“
„Du wünschst dir also, ein zahnloser Tattergreis zu sein, mit künstlichem Hüftgelenk und schmerzenden Gichtfingern.“
„Nein“, sagt er. „Das nicht.“
„Ah, ich verstehe. Du hältst es wie ich, nur umgekehrt: Du möchtest nicht alt sein, sondern alt werden. Interessant!“
„Allerdings. Wir möchten das eine sein, aber das Gegenteil davon werden. Jung sein, aber alt werden. Absurd!“
„Stimmt. Das ist, als ob man sparsam sein, aber einen Porsche fahren will.“
„Als ob man gesund sein will, aber vom fetten Schweinsbraten träumt.“

Er steht auf und räumt die Kaffeetassen in den Geschirrspüler.
„Und was sagt uns das?“, fragt er dann und blickt sie belustigt an.
„Dass ich noch immer nicht weiß, was ich dir schenken soll.“

 

Fotonachweis: fotolia.com (Vladimir Nikulin)

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