Mit der Stimme des Autors schreiben

Mit der Stimme des Autors schreiben

Kategorie: Publizieren

Eine gute und erfolgreiche Sachbuchautorin zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie 1. etwas Bedeutsames zu sagen hat und dass 2. ihre Art, dies zu tun, unverwechselbar ist. Auf diese Weise hat sie die Chance, einen Fisch an die Angel zu bekommen, auch wenn am Ufer des Teichs die Konkurrenten Schulter an Schulter stehen. Es geht also um das Was und um das Wie, und beides ist gleich wichtig beim Buchschreiben.

Für mich als Ghostwriter ist es jedes Mal aufs Neue ein Vergnügen, diese beiden Seiten eines Autors kennenzulernen. Aus der Vielfalt des Wissens entwickle ich Struktur und Konzept. Aus der Sprache und der Persönlichkeit meines Gegenübers entwickle ich den Schreibstil. Beides ist manchmal ganz schön komplex, aber genau das liebe ich. Irgendwie schreiben kann jeder – den Leser strukturiert und launig durchs Thema führen, das ist die Kunst.

Das Dilemma: wenn authentische Sprache und Lesbarkeit sich spießen

Eine Grundregel im Ghostwriting sagt, dass man dem Manuskript nicht den eigenen sprachlichen Stempel aufdrückt, sondern das Buch so schreibt, als hätte die Autorin es selbst geschrieben. Doch da lugt sehr oft ein Dilemma hinter den vielen Rohmaterialien hervor, die ich schriftlich und mündlich zur Verfügung habe. Denn die authentische Sprache der Autorin ist nicht immer geeignet für die Schriftform, denken Sie nur mal an folgende Typen:

  • Der Kettengeschichtenerzähler: Er kommt gern vom Hundertsten ins Tausendste. Die armen Leser würden die Orientierung verlieren und sich verirren.
  • Die Schachtelsatzgläubigerin: Sie versucht, alle, aber auch wirklich alle Aspekte eines Sachverhalts in EINEN Satz zu packen. Sonst stimmt’s ja nicht! Lange halten Leser solche Sätze nicht aus und legen das Buch weg.
  • Der Fachwortbeherrscher: Fachvokabeln sind ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass es ihm gar nicht auffällt. Wenn Laien seine Zielgruppe sein sollen, müsste man den Lesern ein Wörterbuch mitliefern.
  • Die Substantivierungsathletin: Sie hat sich von der Akademiker- oder Amtssprache anstecken lassen. Auch das halten Leser nicht lange durch, weil der Text abstrakt und aufgebläht wird.
  • Der Umwegegeher: Er braucht lange, lange, bis er zum Kern der Sache kommt. So viel Zeit und Geduld haben Leser heutzutage nicht.

Sachbücher, die gerne gelesen werden, sind schlank geschrieben, kommen rasch auf den Punkt, präsentieren verständliche Antworten. Sie halten das Interesse der Leserinnen und Leser aufrecht, indem sie sie Brotkrumen streuend durchs Buch führen. Besser noch sind Kuchen und Kekse.

Das Kunststück: Sprache und Stimme richtig erkennen

Wenn ich als Ghostwriter das Buch so schreibe, wie der Autor es selbst geschrieben hätte, dann bräuchte er mich nicht. Ich gehe die Sache so an: Ich analysiere die Sprache nur auf bestimmte Eigenheiten hin: typische Sager, Lieblingswörter etc. Bei Bedarf weise ich darauf hin, wenn etwas der Verständlichkeit widerspricht. Auf diese Weise entsteht eine Art „Corporate Wording“.

Ich bespreche mit ihm gemeinsam, welcher Stil ihm entspricht. Ist er ein ausgeflippter Typ voller verrückter Ideen, dann wird nicht nur der Text darauf hingetrimmt, sondern möglicherweise auch das ganze Buchkonzept. Genauso fließt bei Bedarf Humor ein, Ironie, Ernsthaftigkeit, Distanziertheit, Hemdsärmeligkeit oder was immer die Persönlichkeit besonders auszeichnet.

Ansonsten lege ich wert darauf, dass ich das Buch nach den Regeln guter und verständlicher Sprache schreibe. Denn in einer Schachtelsatzgläubigerin steckt ja nicht wirklich die Liebe zum Schachtelsatz, sondern der Wunsch, Verständnis für die vielen komplexen Zusammenhänge herzustellen. Das tue ich für sie, aber mit Profi-Schreibwerkzeugen. Das ist, was die Amerikaner als „the author’s voice“ bezeichnen – die Stimme des Autors.

 

Foto: freeimages.com

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