Textklau ist kein Kavaliersdelikt

Textklau ist kein Kavaliersdelikt

Kategorie: Schreibhandwerk

Die Top 3 der dämlichsten Rechtfertigungen – und wie Sie es besser machen, um als Mitglied der Wissens-Community respektiert zu werden.

Ich habe eine sehr aufmerksame Kundin. Sie schreibt gerade an einem psychotherapeutischen Sachbuch, das nächstes Jahr bei Springer erscheinen wird. Ich berate und coache sie dabei. Am Telefon klären wir die nächsten Schritte ab, dann sagt sie: „Stellen Sie sich vor, ich habe bei der Recherche in einem Fachbuch gleich mehrere Textstellen gefunden, die exakt 1 : 1 aus einem anderen Fachbuch kopiert wurden. Ohne Anführungszeichen, ohne Quellenverweis, gar nichts. Ich war schockiert!“

Es ist nicht neu, dass Autorinnen und Autoren … nun, sagen wir: schlampig sind im Umgang mit dem Wissen ihrer Kollegen. Man kann es auch ungezogen, unhöflich, geringschätzig und kriminell bezeichnen. Sehr traurig, dass man immer wieder dagegen wettern und sich die Finger wundschreiben muss gegen diese Ignoranz. Ich tue es hiermit, und ich hoffe, Sie klicken nun nicht entrüstet weiter, sondern folgen mir. Danke!

Regeln machen ein faires, wertschätzendes Miteinander möglich

In jeder Gesellschaft gibt es Benimmregeln und Gepflogenheiten, die das Zusammenleben ermöglichen, ohne dass man sich ständig die Köpfe einschlagen muss: Man begrüßt sich hierzulande, indem man die Hand schüttelt. Man lässt den anderen ausreden, bevor man die eigenen Gedanken ausdrückt. Man greift nicht in die Tasche einer anderen und klaut die Geldbörse. Man klaut auch nicht den Mantel oder den Schirm an der Garderobe, nur weil man ihn gerade gut brauchen kann.

Die Top 3 der dämlichsten Rechtfertigungen

Genauso klaut man auch nicht einfach einen Text, nur weil man ihn gerade gut brauchen kann. Textklau ist kein Kavalliersdelikt, auch wenn es Menschen gibt, die das so sehen. Ich bin immer wieder erstaunt, welche Rechtfertigungen sie haben, hier drei besonders beliebte:

„Aber der Text der Kollegin ist so super formuliert, das könnte ich nicht besser.“

Das ist ja fein, dass Sie einen Text gut finden und auf diese Weise wertschätzen. Und es spricht nichts dagegen, ihn zu verwenden. Nur: Geben Sie gefälligst die Urheberin an, die sich geplagt hat, um ihn so glasklar und eloquent zu formulieren!

„Aber wenn ich schreibe, dass das von meiner Kollegin ist, glauben die Leute ja, dass ich es nicht weiß.“

Diese Rechtfertigung macht mich immer wieder sprachlos. WTF?! Ich würde eher sagen: Wenn Sie die Urheberin NICHT anführen, sind Sie unten durch. Erst dann liefern Sie den Beweis, dass Sie ein armes Würstchen sind, das nicht genug weiß, um ein Buch zu füllen. Also bitte: Nennen Sie die Urheberin und fügen Sie dem Wissen Ihrer Kollegin auch noch Ihr eigenes Wissen hinzu. So macht man das.

„Ach, da kommt doch eh keiner drauf.“

Die dreisteste aller Rechtfertigungen. Meine aufmerksame Kundin, jede Menge Klagen wegen Textklau und Plagiatsskandale sollten eigentlich genug Beweis sein, dass Urheberrechtsverletzungen sehr wohl gesehen und auch geahnt werden. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Auf den Verlag brauchen Sie sich übrigens auch nicht ausreden. Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit haben Sie im Vertrag drinstehen, dass Sie als Urheber Ihres Manuskripts für die Originalität und für das korrekte Zitieren von Originaltexten verantwortlich sind.

So zitieren Sie richtig

Richtig zitieren ist nicht weiter schwierig. Die einzige Herausforderung besteht nur darin, dass man sich alle Quellen gleich aufschreibt, sobald man sie gefunden hat. Denn später wissen Sie garantiert nicht mehr, wo Sie diesen einen Satz gelesen haben. Daher gehen Sie so vor:

1. Wenn Sie an Ihrem Buch zu arbeiten beginnen, legen Sie schon in der Recherchephase eine Datei an, in der Sie alle Quellen notieren.

2. Wenn Sie ein Fachbuch schreiben: In Ihrem Manuskript stellen Sie das Zitat unter Anführungszeichen, wenn Sie es wörtlich übernehmen, oder Sie formulieren es in indirekter Rede. In beiden Fällen kommt gleich danach eine hochgestellte Zahl, die auf die Fußnote hinweist.

Wenn Sie an einem Sachbuch oder Ratgeber arbeiten, sind Fußnoten unüblich. In dem Fall erwähnen Sie den Namen der Urheberin im Fließtext. Das sieht dann zum Beispiel so aus: „… und wie der Zukunftsforscher Johann Müller es treffend formuliert: „Ein Ende ohne Anfang ist kein Ende, ein Anfang ohne Ende ist kein Anfang.“ Er bezieht sich dabei …“

3. In der Fuß- oder Endnote schreiben Sie: „Müller 2015, S. 32“. Bei einem Fachbuch, wie gesagt, wird das eher in einer Fußnote stehen, bei einem Sachbuch oder Ratgeber wird die Endnote empfohlen (also die Quellenangabe am Ende des Kapitels).

4. Im Literaturverzeichnis am Ende des Manuskripts folgt dann die ausführlichere Quellenangabe: Müller, Johann: Vom Ende des Anfangs. Gedanken und Ideen, Meier-Verlag, Wien, 2015

Nun wissen Sie Bescheid und können sich gut benehmen in der Wissens-Community. Ganz viel Wissenswertes nicht nur über das richtige Zitieren, sondern vor allem über Literatur- und Internetrecherche habe ich übrigens im Recherche-Blog meiner Kollegin Heike Baller gefunden. Stöbern Sie und fragen Sie, wenn Sie unsicher sind. Dann kann Ihnen die Peinlichkeit des Textklaus nicht passieren!

 

(Foto: Thorben Wengert_pixelio.de)

1 Comment

  1. Klare Worte zu einem wichtigen Thema. Danke, liebe Daniela. Ich unterschreibe bei jedem einzelnen Satz. Welchen Reputationsverlust es bedeuten kann, wenn sich jemand beim Plagiieren erwischen lässt, beweisen die Skandale rund um Guttenberg und Schavan. Und das sind ja nur die beiden bekanntesten Plagiatsaffären. Abschreiben kann zudem teuer werden, das machen sich meiner Erfahrung nach Autoren und Autorinnen nicht bewusst. Dabei geht es ja nicht nur um den Schadenersatz für den Urheber- das Buch muss zurückgezogen und eingestampft werden, das kann noch Schadenersatz vom Verlag nach sich ziehen etc. Allein der Aufwand …
    Also: Besser selbst nachdenken, recherchieren und schreiben.
    Gruß Cordula

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