Schubumkehr

Schubumkehr

Kategorie: Danielas Melange

Über den Sinn des Aufschiebens wichtiger Aufgaben

Ich drehe den Computer auf, weil ich an einer Geschichte schreiben will. Vorher sollte ich aber kurz die Mails checken. Die Grafikerin hat noch eine Frage zu dem, was wir gestern besprochen haben. In meinem Netzwerk schreibt jemand von einem lesenswerten Artikel auf Facebook. Ach! Ich werfe einen Blick auf Facebook, um nach dem Rechten zu sehen, bevor ich dann meine Geschichte angehe. Eine neue Kontaktanfrage, ein Animationsfilmchen über Drogenabhängigkeit. Tolle Idee! Aber Schluss jetzt.

Die Geschichte. Ich öffne das Dokument. Kaffee. Ich brauche Kaffee. Also ab in die Küche. Die Blumen gehören gegossen. Kurz bin ich versucht und schaffe es gerade noch, der Gießkanne zu widerstehen. Als ich mit der vollen Tasse zum Schreibtisch zurückkehre, steht dem Geschichteschreiben nichts mehr im Weg. Obwohl …

Ich schreibe sie doch lieber mit dem Notebook im Ohrensessel. Ist gemütlicher. Ich fahre also den einen Computer herunter und den anderen hoch. Dabei fällt mir auf, dass ich eigentlich schon vor einer Stunde mit der Geschichte beginnen wollte. Typischer Fall von Aufschieberitis. Apropos, da liegt doch irgendwo dieses erfrischende Büchlein darüber, das wollte ich doch längst in meinem Blog vorstellen. Eigentlich eignet sich mein einstündiger Anlauf zum Geschichtenschreiben hervorragend, um den Blogpost damit zu beginnen. Ich schreibe das am besten gleich auf …

Und da sitze ich jetzt und schreibe diesen Blogbeitrag, anstatt an einer Geschichte für meine Kundin zu schreiben.*) Es ist genau so, wie John Perry, der Autor von „Einfach liegen lassen“, sagt: Das, was ganz oben auf der To-do-Liste steht, wird geschoben. Und meist sind es die To-dos weiter unten auf der Liste, die das Rennen machen. Also von wegen Aufschieberitis wäre pures Nichtstun. In Wahrheit, so schreibt Perry, sind wir höchst produktiv dabei! Wir tun nur nicht, was am Plan steht.

Mir gefällt diese Sichtweise sehr. Ich bin ja grundsätzlich davon überzeugt, dass die Natur nichts geschaffen hat, das nicht irgendeinen Sinn hat. Und Dinge vor sich herzuschieben empfinde ich als etwas höchst Natürliches. 🙂

Der zweite Grund, warum ich mich in dieses Büchlein verliebt habe: Die Entdeckung der horizontalen Organisation. Endlich weiß ich, warum ich froh sein kann, dass ich das Ablegen immer vor mir herschiebe: Weil ich Zeitungsausschnitte etc. nie wieder finde. Beziehungsweise nie suche, denn in dem Moment, wo sie ein Ordner schluckt, sind sie weg. Aus dem Auge, aus dem Sinn also. Ich brauche einen großen Schreibtisch und manchmal auch viel freien Fußboden, damit alles nebeneinander Platz hat und ich alles im Blick habe.

John Perry hat noch viele andere spritzige Ideen und Sichtweisen zur Prokrastination (was, wie ich nun auch weiß, schon den Aristoteles beschäftigt hat, wer hätte das gedacht!). Leseempfehlung!

Zum Buch
John Perry: Einfach liegen lassen. Das kleine Buch vom effektiven Arbeiten durch gezieltes Nichtstun. Riemann Verlag 2012 (übersetzt von Maria Andreas)

 

*) John Perry ist schuld, dass dieser Blogpost nun tatsächlich veröffentlicht ist. Früher hätte ich mir Gedanken und Notizen gemacht. Und sie dann beiseite geschoben, schließlich habe ich ja etwas Wichtigeres zu tun. Vermutlich wäre wäre der Beitrag dann nie zur Welt gekommen. Also: Dranbleiben ist die Devise, auch bei den Dingen, die nicht am Plan stehen! Und jetzt bin ich bereit. Für die Geschichte 🙂

Foto: Daniela Pucher

Was sagen Sie?

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Erforderliche Felder sind markiert mit *.

*

Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden und akzeptieren die Datenschutzhinweise. *