Was Schreiben und Sport gemeinsam haben. Von Emotionen, Muskeln und dem Surfboard von Agatha Christie.
Letzte Woche war ich auf dem ersten Trainings-Camp meines Lebens. Sechs Tage lang sind wir geschwommen, geradelt, gelaufen. Wir haben unsere Muskeln aufgebaut, an unserer Technik gefeilt, neue Bewegungsabläufe einstudiert, ein bisschen Theorie gelernt. Ich hatte viel Spaß an der Bewegung und auch ein wenig Frust, wenn etwas nicht so lief, wie ich das gerne gehabt hätte.
Das kam mir sehr vertraut vor. Denn wenn ich schreibe, geht es auch um Technik und ständiges Schreibmuskeltraining, um Glücksmomente und Frust, wenn die Wörter einmal nicht so fließen. Dann fiel mir Haruki Murakami ein, dessen Buch „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“ ich vor ein paar Jahren gelesen habe. Auch er findet eine Parallele zwischen Schreiben und seinem Sport (Marathon und Triathlon): die Intensität und die Zähigkeit, die man braucht, um am Ziel anzukommen.
Und hat er nicht Recht? Wer schon ein Buch geschrieben hat, weiß, wie viel Ausdauer man braucht. Wie hartnäckig man sein muss, um nicht durch alltägliche Verführungen vom Pfad abzukommen. Ich habe noch nach weiteren Parallelen gesucht:
Emotionen sind die Würze
Sport ist für mich Emotion pur. Waren Sie schon einmal bei einem Volkslauf mit dabei? Selbst wenn ich nur als Zuschauerin beim Ziel stehe, bin ich in kürzester Zeit angesteckt von der positiven Energie, den Emotionen der Masse. Ich muss da einfach mitklappern, klatschen, rasseln oder Hopp-auf rufen, geht gar nicht anders. Wenn ich selbst mitlaufe, kriege ich richtig Gänsehaut wegen dieser Stimmung. Beim Schreiben ist die Emotion der Schmierstoff, der jeden noch so trockenen Inhalt in die Gehirnwindungen gleiten lässt. Es ist letztlich der Emotion zu verdanken, wenn ein Text gern gelesen und auch behalten wird.
Es ist mitunter eine Schinderei
Ich spiele und bewege mich gern und mag es, wenn mich der Schwimmtrainer mit Übungen herausfordert, bei denen ich das halbe Becken leertrinke. Manchmal ist es aber auch eine Quälerei, ich muss mich überwinden, den Schweinehund besiegen, damit ich den Weg ins Fitness-Center finde. Auch zum Schreiben muss ich mich mitunter zwingen. Denn die Muse ist eine unzuverlässige Person. Auf sie zu warten habe ich schon lange aufgegeben. Es gehört zum guten Ton einer Textarbeiterin einfach dazu, sich immer wieder auch zu plagen, damit die Leser sich freuen.
Nachher fühlt man sich immer gut
Kürzlich fuhr ich mit einer Freundin zum Schwimmtraining. „Mich freut es eigentlich gar nicht“, sagte sie und ich stimmte mit ein. Es gibt solche Tage, an denen man sich müde und lasch fühlt. Als wir uns nach einer Stunde im Wasser auf den Heimweg machten, waren wir beide wie ausgewechselt. Nicht nur der Körper fühlt sich gut an, wenn er in Bewegung war, auch unsere Laune war eindeutig besser als vorher. Nicht anders ist es beim Schreiben: So mühsam kann eine Schreibarbeit gar nicht gewesen sein, als dass man sich nachher nicht freut und stolz darauf ist, etwas Gutes geschafft zu haben.
Lebenslang trainieren
Das gilt nicht nur für jene, die immer besser werden wollen: Wer in Übung bleiben will, darf nie aufhören zu lernen, respektive zu trainieren. Beim Sport ist das ganz offensichtlich. Je besser man den Ablauf von Bewegungen beherrscht, desto schneller und stärker wird man. So ist das auch beim Schreiben: Je öfter man sich am Formulieren erprobt, je mehr man seinen Wortschatz anreichert, je intensiver man seine Kreativität herausfordert, desto besser geht mit der Zeit das Schreiben von der Hand. Ja, auch der Schreibmuskel muss laufend trainiert werden!
Aktiv und passiv ein Spaß
Beides macht sowohl aktiv als auch passiv Freude: den Sportlern, die sich gerne bewegen, und den Zuschauern, die beim Wettbewerb mitfiebern. Den Schreiberinnen, die gerne formulieren und Geschichten erfinden, und den Lesern, die sich in Artikel vertiefen und Bücher verschlingen.
Sportliche Schriftstellerinnen und Schriftsteller gibt es übrigens viele. John Irving zum Beispiel war Wrestler und hat das auch in einem Buch verarbeitet. Ernest Hemingway und Mark Twain haben geboxt. Jack Kerouac und F. Scott Fitzgerald waren Fooball-Spieler. Albert Camus war Fußballer, ebenso wie Vladimir Nabokov. Franz Kafka war passionierter Schwimmer. Und Agatha Christie, wer hätte das gedacht, war „one oft he first Brits to surf“!
(Foto: Daniela Pucher)
Liebe Daniela, ein toller Artikel – danke für das Aus-der-Seele-Sprechen und fürs Bewusstmachen, was Sport und Schreiben gemeinsam haben.
Danke, Doreen!
Ja, auch mir schreibst du aus der Seele, liebe Daniela. Als passionierte Tennisspielerin vermisse ich nur David Foster Wallace, gebe aber zu, dass Tennis ein Kapitel für sich ist und keine Ausdauersportart im engeren Sinn. 😉
Du hast Recht, es gibt noch viel mehr sportliche Schriftsteller. Ich habe nur eine kleine Auswahl getroffen. Tennis ist ganz bestimmt ein sehr anstrengender Sport, auf den all die Punkte oben auch zutreffen, oder? 🙂
Natürlich treffen alle von dir genannten Punkte auch für Tennis zu, beim Tennis kommen noch andere hinzu. 😉
Würdest du sie mir verraten? Vielleicht: Je besser fokussiert, je höher die Trefferwahrscheinlichkeit?
Hallo Daniela,
ein sehr schöner Beitrag und so wahr. Danke dafür und für die interssanten
Gespräche abends am Buffet nach einem langen Trainingstag :).
Liebe Grüße,
Andre
Lieber Andre, danke dir! Ich habe unsere Gespräche auch sehr genossen. Auf deine Triathlon-Erfolge und genügend Regenerationszeit – natürlich immer mit einem Buch in der Hand!