Was tun, damit einen der Alltag nicht gleich wieder verschlingt? Eine kleine Anregung, zum Nachdenken und Nachlesen.
Ende der Ferienzeit. In einem Wiener Café treffe ich mich mit Kolleginnen des weltbesten Texterinnen-Netzwerks www.texttreff.de zum allmonatlichen Networking. Man erzählt vom Urlaub und über die bevorstehenden Herbstprojekte. „Ach, mich hat so schnell der Alltag wieder“, seufzt eine der tüchtigen Kolleginnen. „Kaum bin ich am Schreibtisch, ist das Urlaubsfeeling auch schon weg. Wie geht es euch damit?“ Kurz wird nachgedacht, dann solidarisch mitgeseufzt und schicksalsergeben genickt. Ja, so ist das halt. Was kann man schon dagegen tun?
Ich nehme diese rhetorische Frage wörtlich. Es ist doch viel zu schade um die viele Lebenszeit, in der wir offenbar nicht ausreichend genießen, was wir tun, und stattdessen uns nach Urlaub sehnen. Ich hätte gern täglich ein bisschen Urlaub.
Just stolpere ich heute beim Frühstück über einen Artikel in einer „Psychologie Heute“-Compact-Ausgabe zum Thema Faulsein.*) Wer nicht faul sein kann, fabuliert die Autorin Ursula Nuber im Titel, mit dem ist etwas faul. Und mein Lieblingssatz:
„Faulheit ist die Angewohnheit, sich auszuruhen, bevor man müde ist.“
Na, wenn das nicht klug ist! Und womöglich gar der Schlüssel zum Alltags-Urlaubsfeeling. Es ist doch so: Wir kehren an den Arbeitsplatz zurück, aufgetankt mit frischer Tatkraft. Da ist die lange To-do-Liste, die wir vor dem Urlaub schon geschrieben haben. Da ist die überfüllte Mailbox. Da sind Terminanfragen. Im Nu ist der Kalender voll Betriebsamkeit. Wir stürzen uns energiegeladen hinein ins Getümmel und tauchen erst wieder auf, wenn wir das erste Mal erschöpft sind. Dann denken wir mit Wehmut zurück an das leise Schlagen der Wellen am Strand, an den Duft von wildem Thymian bei der Wanderung, an das stille Flirren heißer Luft über dem Oleander, an die ausgelassenen Abende an der Bar. Doch die Erinnerungen helfen uns dann auch nicht mehr. Wir haben vergessen, rechtzeitig Luft zu holen!
Dem Nichtstun ein gutes Image geben
Wenn ich den Artikel in der Psychologie Heute recht interpretiere, würde uns die Wehmut nicht begegnen, wenn wir uns rechtzeitig, vielleicht sogar täglich ein Quäntchen Faulheit gönnten. Was uns natürlich sofort zur nächsten Frage führt: Was um alles in der Welt tut man, wenn man faul ist? Nichts? Oder … doch etwas?
Die Autorin meint, dass im besten Sinn faule Menschen alles andere als inaktiv sind. Sie beobachten, lauschen, spüren, genießen. Sie sitzen zu Mittag im Café und beobachten, was um sie herum geschieht, anstatt das Essen möglichst schnell in sich hineinzustopfen. Sie nehmen am Abend ein ausgiebiges Vollbad statt der Power-Dusche. Sie erlauben sich, auch mal ins Narrenkastel zu schauen, bevor sie wieder weiterarbeiten. Im Grunde genommen sind das ähnliche Dinge, wie wir sie im Urlaub tun, nicht wahr?
Ich nehme ab sofort täglich ein paar Minuten Urlaub: Nicht nur schnell Blumen gießen, sondern auch schauen, ob ein neuer Trieb gewachsen ist. Mich nicht ärgern, dass der Bus davongefahren ist, sondern die Zeit mit Beobachten nützen. Es mir auf der Couch bequem machen, eine Kerze anzünden und ihrem Flackern zusehen, anstatt mich vor den Fernseher zu fläzen. Und wie könnte Ihr täglicher Urlaub aussehen?
*) Psychologie Heute compact (2013) Heft 33: Ohne mich! Widerstand leisten gegen die Zumutungen der Zeit
klasse, mach ich immer wieder gerne, narrenkastelschauen und andere/s beobachten rundherum.
Mein täglicher Urlaub? Ich wäre froh, wenn ich wieder die innere Ruhe hätte, das zu tun, was für mich früher eigentlich immer ein täglicher Urlaub war: Mich mit einer Zeitschrift (meist ein Special Interest Magazin, beispielsweise zu den Themen Landleben, Garten, Wohnen, Outdoor, Handarbeiten (oder auch einfach Business Punk und t3n) aufs Sofa fläzen und in den Artikeln und Bildern schwelgen, ohne daran zu denken, was noch alles gemacht werden muss. Das Gleiche gilt für flickr-Fotos Anschauen. Ich hetze durch alles nur noch mit beruflichem Hintergrund durch, obwohl ich so gerne ausgiebig Zeit damit verbringen würde und träumen, was ich so machen würde, wenn ich die Zeit (!) hätte die Ideen umzusetzen. Das kommt derzeit völlig zu kurz. Ich bin momentan schon froh, wenn ich es Wochen später schaffe, die Urlaubsfotos von der Speicherkarte auf den Rechner zu ziehen und ein bisschen kann ich dann das Urlaubsgefühl wieder einfangen. Andere kleine Urlaube, wie einfach nochmal die DVD „Deutschland – ein Sommermärchen“ vonder WM 2006 zu schauen, dazu komme ich momentan gar nicht. Obwohl das so erholsam ist.
Aber irgendwann bestimmt 🙂
Oh, da bekommt man ja schon beim Lesen Atemnot, liebe Petra! Was du beschreibst, ist genau das, weswegen ich so viel Sehnsucht nach der Ferne hatte. Denn nur in der Ferne, also im Urlaub, hat man Zeit für sich selbst. Ich hatte nie Heimweh, denn da wartete doch nur Arbeit, Arbeit, Arbeit. Ich hab mir das ganz fest vorgenommen, täglich ein bisschen Zeit für mich abzuzwacken, und zwar regelmäßig. Mir gelingt es derzeit gut auch durch viel Sport, zu dem ich mich schon aus Gesundheitsgründen gezwungen sehe.
Was für eine wunderbare Anregung, den Genuss, die Erholung, die Entspannung nicht nur in großen Ferien, sondern ebenso in kleinen Momenten zu suchen – und zu finden. Zugegeben: Einiges davon praktiziere ich öfters auch ausgiebiger, zum Beispiel Menschen beobachten oder so inspirierende Blogeinträge lesen wie diesen hier.:-)
🙂 Ja, beim Lesen (von Blogs, aber auch anderem) kann man sich viel Urlaubsfeeling holen. Das schreibt ja auch Petra, die liebend gern in Zeitschriften blättern möchte.
Oje, Mia,
du hast recht!
Ich hätte mal Absätze einbauen sollen und keine Thomas-Mann-Sätze basteln 😉
Sorry, ich wollte dir keine Atemnot verschaffen 😀
Lieben Gruß!
So hab ich das jetzt gar nicht gemeint. 🙂 Sondern die Atemnot hat sich eingestellt aufgrund der Bilder, die ich in den Kopf bekam, als ich deine Schilderungen gelesen hab! Und: Ich krieg gut Luft, alles bestens also 🙂
Liebe Daniela,
ich möchte Dir sehr herzlich zu Deinen Beiträgen gratulieren!
Wenn es Dir so entspannt geht, wie Du es mir in den Newslettern so einfühlsam und unaufdringlich vermittelst, dann beneide ich Dich ein wenig.
Vielleicht sollte ich Deine Empfehlungen auch einmal umsetzen
Unbedingt, lieber Hermann! Ich bin am Üben und es gelingt bis jetzt ganz gut, mir täglich ein Quäntchen Auszeit zu nehmen. Also auch dir viel Spaß und Motivation beim Umsetzen 🙂
Meist bin ich froh, noch ein wenig auf die U-Bahn, den Bus, die Straßenbahn zu warten. Wie ich jetzt lese – ein Schritt in die richtige Richtung, etwas inne zu halten. Besonders erholsam finde ich nette Gespräche und Spaziergänge in der Natur. Letztere kommen leider zu kurz. Nehme Deine Anregungen gerne auf. Sehr fein!
Oh, was für eine schöne Anregung. Gerade die letzten Tage (nach dem Urlaub) fühlte ich mich beinahe überfordert von allem, was das dringend erledigt werden will, soll, muss. Es ist ja nicht nur die Arbeit, auch das Privatleben, Hobbies, Kinder, Bücher/Zeitung lesen, bei den Geschehnissen in der weiten Welt auf dem Laufenden bleiben, die eigenen Freunde nicht vernachlässigen. Und jede freie Minute wird etwas ’sinnhaftes‘ getan.
Doch heute Nachmittag – tatatatam!!! Überraschend waren meine beiden Kinder unterwegs und ich hatte 2 Stunden Zeit. Ich hätte arbeiten, einkaufen, Haushalt machen können, aber ich habe mich ins Bett gelegt, den neuen Krimi von meiner Netzwerkkollegin Petra Busch (Zeig mir den Tod) gelesen, bis ich hinweggeschlummert bin. Was für eine Erholung…
Wunderbar!!!
Es geht verdammt schnell, vom Alltag vereinnahmt zu werden, nicht wahr? Wie schön, dass du dich richtig entschieden hast und die zwei geschenkten Stunden nur für dich genützt hast – so, als hättest du Urlaub!