Vom Reden und vom Schreiben
»Wie soll das gehen«, fragt mich ein Coaching-Kunde, seines Zeichens Unternehmensberater und ebenfalls Coach, »dass ich das alles, was ich bei meinem Kunden beobachtet habe, auf Papier bringe? Die ganzen Problemchen zwischenmenschlicher Beziehungen! Wie nur?« Wenn er einen Satz schreibt, meint er, ist doch nie alles drin, was es zu sagen gibt! Ob Entscheidungsfindung oder Kommunikationskultur, das ist alles viel zu komplex, um es aufzuschreiben!
Mein Kunde rauft sich die Haare und blickt mich verzweifelt an. Nur Mut, sage ich. Alles ist möglich. Ein Satz nach dem anderen. Eine Beobachtung, ein Argument, ein Faktum an das andere gereiht ergibt am Ende den Sinn, den man aussagen möchte. Haben Sie Geduld. Ein Text ist wie ein Puzzle: Ein einzelnes Steinchen allein kann wunderschön sein, ist aber unvollkommen. Erst mit allen anderen Steinchen gemeinsam erkennt man das ganze Bild.
Kann ich das so schreiben?
Womit ich das nächste heikle Stichwort fallen gelassen habe: Bilder. Mit Worten Bilder zu malen, ist eine schöne Vorstellung. Doch beim Tun stolpert man dann über Vergleiche und Metaphern. Kann man das wirklich so schreiben? Ist es vermessen, zwischenmenschliche Fehlbarkeiten mit dem Vorhandensein von ‚Aliengruben’ zu erklären? Und kann man einem Geschäftsführer in einem zusammenfassenden Bericht schreiben, dass sein Unternehmen seit vielen Jahren dem Theaterstück ‚Warten auf Godot’ von Beckett ähnelt – weil es scheint, als ob alle im Abwärtsstrudel auf ein Wunder warteten, anstatt etwas zu unternehmen?
Reden ist Silber, Schreiben ist Gold
Gesagt ist so etwas bald einmal. Wenn Ihr Gegenüber Ihre Aussage nicht versteht, merken Sie das gleich und können erklären, korrigieren oder sich entschuldigen – und alles ist wieder im Lot. Bei Schriftstücken ist das anders. Wenn Sie jemandem Ihre Meinung schreiben, bekommt diese Meinung mehr Gültigkeit. Sie können ‚festgenagelt’ werden. Wenn der Leser nicht oder falsch versteht, können Sie nicht gleich korrigieren. Vielleicht können Sie sogar überhaupt nicht korrigieren, weil Sie diesen Menschen nie sehen.
Achtung, Schreibblockadengefahr!
Viele Schreibende haben Probleme mit dieser Eigenheit des Geschriebenen und haben Hemmungen – oder sie begegnen ihrem inneren Perfektionisten, der ihnen ständig mit erhobenem Zeigefinger über die Schulter schaut: ‚Das kannst du so doch nicht schreiben!’.
Vor allem im Beruf ist wichtig, dass das, was man schreibt, Hand und Fuß hat. Logisch ist. Nachvollziehbar ist. Präzise ist und zu keinen Missverständnissen führt. Es erfordert ein wenig Respekt, schreiberisches Know-how, Mut und eine Portion Selbstvertrauen beim Schreiben, um mit der Macht geschriebener Worte souverän umgehen zu können.
Die gute Nachricht: So, wie man in Kommunikations- und Rhetorikseminaren den guten Umgang beim miteinander Reden lernt und die eigenen Verhaltensmuster reflektiert, kann man auch einiges über das Schreiben lernen. Seminare für professionelles berufliches Schreiben sind zwar hierzulande noch ein wenig exotisch – aber nicht mehr lange!
Herzlichst, Ihre Daniela Pucher