In den Köpfen anderer: eine Schreibblockade der besonderen Art

In den Köpfen anderer: eine Schreibblockade der besonderen Art

Kategorie: Buchkonzept mit Sinn und Verstand, Manuskript schreiben

Schreibblockaden gibt es viele. In diesem geht es um eine spezielle: Recherche führt manchmal dazu, sich vom eigenen Schreibstil und dem eigenen Wissen ablenken zu lassen. Warum das so ist und wie du diese Falle umgehen kannst, erfährst du hier.

Neulich im Autorencoaching. Die Autorin hat gerade eine entscheidende Denkschleife hinter sich und nun endlich eine Inhaltsstruktur gefunden, mit der sie sich voll und ganz identifizieren kann. Einer der entscheidenden Punkte dabei:

Die ursprüngliche Idee war noch stark beeinflusst von Theorien und konkreten Büchern, mit denen sie sich intensiv beschäftigt hatte. Sie steckte fest in einer Schreibblockade. Die jetzige Struktur ist hingegen frei von Fremdeinflüssen. Sie entspricht dem, was sie auch täglich in ihrem Beruf mit ihren Klientinnen und Klienten bespricht, erklärt, coacht.

Sie ist sehr zufrieden mit dem, was wir erarbeitet haben. Erleichtert fühlt es sich an, sagt sie. Ich verstehe das sehr gut. Denn ich weiß, wie schwer es ist, in fremden Köpfen zu geistern – so als ehemaliger Ghostwriter, aber auch bei jeder Recherchephase für ein Buch.

Und ich beobachte es auch bei anderen Autorinnen und Autoren, die ich begleite: Erst wenn sie fremdes Wissen loslassen und sich dem eigenen Wissen hinwenden können, wird ein richtig gutes Buch draus. Und erst dann wird das Schreiben zu einem richtigen Vergnügen!

Was du in diesem Artikel erfährst

Ein wichtiger Schritt beim Buchschreiben ist jener weg vom Fremdwissen hin zum eigenen Wissen und eigenen Erfahrungen.

Was dahintersteckt: Fremdwissen gibt Sicherheit. Es braucht Mut oder ein großes Selbstvertrauen, um eigenes Wissen auf die Bühne zu stellen. Könnte ja zerpflückt, kritisiert, abgewertet werden!

Was hilft? Das findest du am Ende dieses Artikels! 

Diesen Schritt von der Fremdlektüre zum eigenen Text müssen wohl alle machen, die ein seriöses Sachbuch schreiben wollen. Denn ein Sachbuch ausschließlich aus dem eigenen Kopf heraus zu schreiben, das wird nicht funktionieren. Das kannst du als Romanautorin so machen.

Bei Sachbüchern ist es jedoch ähnlich wie in der Wissenschaft: Jede akademische Arbeit muss eine Lücke füllen, etwas Neues aufdecken, sonst hat sie keine Existenzberechtigung. Und sie sollte sich auf bereits bestehende Autoritäten (und deren Bücher) beziehen. Das müssen wir bei einem Sachbuch auch berücksichtigen.

Der Blick in die Köpfe der Konkurrenz: die Marktanalyse

Wenn ich ein neues Buch zu schreiben beginne, schaue ich zuerst, was es bereits am Markt gibt. Ich bemühe das Internet und stöbere z. B. in den gängigen Online-Buchhandlungen. Da finden sich immer Bücher zu dem Thema, das ich geplant habe. Für viele Autoren ist das schon einmal ein möglicher Stolperstein.

„Ach schade“, sagen viele Autoren dann, „es gibt ja schon so viele Bücher zu meinem Thema!“ Enttäuscht lassen sie den Kopf hängen und ihre Idee fallen. Oder sie sehen diese Bücher – und schauen ganz schnell weg. Nach dem Motto „wenn ich sie nicht sehe, sind sie gar nicht da“. Was natürlich genauso wenig klug ist, wie sich zu schnell geschlagen zu geben.

Wenn die Idee vom eigenen Sachbuch mehr ist als ein Strohfeuer, dann solltest du es professionell angehen. Der Blick in die Bücher deiner potenziellen Konkurrenz birgt nämlich ganz viele Chancen. Und zwar dahingehend, wie du deiner Buchidee einen anderen Twist, eine neue Färbung, eine konkretere Eingrenzung verpassen kannst. Bei meinem Ratgeber „Zur Sache, Experten!“ beispielsweise stellte ich fest, dass es schon einige solche Ratgeber gab. Aber damals noch keines, das eine praktische Anleitung anbot. So wurde meines eine „10-Schritte-Anleitung“ fürs Sachbuchschreiben.

Ein Blick in die Bücher der Konkurrenz hilft dir, wie du deiner Buchidee einen anderen Twist, eine neue Färbung, eine konkretere Eingrenzung verpassen kannst.

Fremde und eigene Konzepte

Ist die Idee einmal konkretisiert, geht es an die Konzeption. Auch das ist eine Tüftelei, wenn du für einen effizienten Schreibprozess sorgen willst. Und auch hier werfen viele Autoren einen Blick in fremde Inhaltsverzeichnisse, wenn ihnen gerade selbst die Ideen ausgehen. Was gefährlich werden kann.

Entweder man findet die fremden Strukturen so umwerfend gut, dass man gleich verzagt. Oder man greift die eine oder andere Idee auf und übersetzt sie für das eigene Buch. Nur, um sich mit dem Ergebnis nicht wohlzufühlen. So wie es meiner Autorin gegangen ist.

Als würde man Kleider in falscher Konfektionsgröße tragen, so fühlt es sich an. Und für dieses schlechte Gefühl können wir auch dankbar sein, denn es stößt uns an, etwas zu verändern. Raus aus diesen Klamotten! Sie sind nicht deine! Wenn du den Lesern etwas Neues bieten möchtest, dann musst du schon selbst kreativ werden.

Raus aus fremden Sprach-Klamotten! Sie sind nicht deine! Wenn du den Lesern etwas Neues bieten möchtest, dann musst du schon selbst kreativ werden.

Recherche während des Schreibens

Bei Sachbüchern muss auch während des Schreibprozesses recherchiert werden. Und egal, ob die Recherche in Büchern erfolgt oder durch Interviews mit anderen Menschen, immer sind wir dabei quasi „auf Besuch“ im Kopf des anderen – des Autors oder des Interviewpartners.

Ich erinnere mich noch gut an meine Ghostwriter-Zeit. Es gehört schließlich zum Wesen des Ghostwritings, dass man fremde Inhalte zu einem Buch macht. Ich habe mir die Inhalte meist in Form von Fachgesprächen geholt. Für jedes Kapitel gab es ein Gespräch, indem ich versucht habe, der Logik meines Gegenübers zu folgen (was nicht immer einfach war!). Ich habe viele Fragen gestellt. Am Ende solcher Sessions war ich oft sehr erschöpft. Es ist anstrengend, immer nur im Kopf eines anderen zu geistern.

Bis ich dann in der Lage war, dieses Kapitel zu schreiben, brauchte ich ausreichend Distanz. Mag sein, dass ich es mir leichter hätte machen können, aber ich bin nun mal eine Gründliche, und so brauchte ich eine Weile, bis ich mich aus den Tiefen der fremden Gehirnwindungen rausarbeiten konnte, um das Manuskript zu schreiben.

Die Sache ist nämlich die: Wenn du in einem Buch liest und anschließend das Gelesene in dein Manuskript einbauen willst, übernimmst du automatisch den Stil des fremden Autors. Da brauchst du schon Distanz, bis du den fremden Inhalt mit deinem eigenen Denken verbinden und mit deiner eigenen Schreibstimme formulieren kannst.

Drum empfehle ich dringend, zuerst einen Draft zu schreiben, in dem du ausschließlich dein eigenes Wissen aufschreibst. In dieser Phase gibt es Rechercheverbot. 😉 Das hilft ungemein!

Was dir noch hilft gegen diese Schreibblockade

  • Recherche rechtzeitig beenden. Mein Diplomarbeitsbetreuer an der Uni formulierte das genau richtig: Du hast dann ausreichend recherchiert, wenn sich deine Funde zu wiederholen beginnen.
  • Abstand gewinnen. Das gelingt am ehesten, indem man sich eine Weile mit anderen Dingen beschäftigt. Drüberschlafen, Joggen gehen oder einen anderen Sport machen, ab ins Kino, mit Kindern spielen, Freunde treffen und Spaß haben. Manche brauchen nur kurz dafür, andere mehrere Wochen.
  • Automatisch schreiben: Wenn du ein Kapitel beginnst, stelle dir eine Eieruhr auf 10 Minuten und schreibe drauflos, alles was dir gerade einfällt. Assoziationen zum Kapitelthema, Stichworte, vielleicht auch Befindlichkeiten und deine Stimmung gerade. Das bringt dich zu dir und deinen Gedanken.

Erst wenn du fremdes Wissen loslassen und dich dem eigenen Wissen hinwenden kannst, wird das Schreiben zu einem richtigen Vergnügen!

Mut und Selbstvertrauen: Warum wir Fremdtexte so schlecht loslassen können

Meiner Meinung nach hat das viel mit Sicherheit zu tun. Fremdes Wissen gibt Sicherheit. Wenn ich mich auf fremdes Wissen beziehe, bin ich safe. Und meist ist der Text ja auch schon ausgefeilt und lektoriert, sodass er schön glänzt und wir beeindruckt sind.

Das eigene Wissen jedoch  muss erst einer Prüfung standhalten. Meine Autor*innen verwenden ihr Wissen und ihre Erfahrungen zwar täglich in ihrer Arbeit und bekommen dort auch entsprechende Rückmeldung. Bei einem Buch kommt die Rückmeldung erst, wenn man nichts mehr ändern kann. Gesprochene Worte sind nicht annähernd so „gefährlich“ wie geschriebene Worte!

Selbstvertrauen spielt übrigens eine Riesenrolle. Der Perfektionismus ist ein großer Verhinderer, denn der ist ja nie davon überzeugt, dass das, was man weiß, gut genug ist. Und so ist man verleitet, sich lieber an den fremden Text zu klammern.

Deshalb arbeite ich mit meinen Autor*innen auch gern „behind the scene“ an Glaubenssätzen, am Selbstverständnis, am Eigensinn. Das macht Mut für den Schritt in den eigenen Kopf.

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