Es ist der Wurm im Text

Es ist der Wurm im Text

Kategorie: Schreibhandwerk

„Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige.“  (Voltaire) Ein Beitrag zur Blogparade meiner Texttreff-Kollegin Kerstin Hoffmann zum „Jahr der ungewöhnlichen Formulierungen

Sie schleichen sich ein, knabbern sich empor aus den Tiefen des Gehirns, drängeln sich an die Oberfläche wie ungebetene Werbe-Banner in billigen Web-Shops: Floskeln, Worthülsen, abgelutschte Formulierungen. Viel zu viele Schreiber von Websites, Angeboten, Skripten und dergleichen erliegen ihrer bestechenden Aufdringlichkeit. Der Grund ist leicht zu erkennen: Sie sind rasch parat, und das ist praktisch. Wer mag sich schon gerne quälen beim Texten? Na eben. Schließlich hat man ja auch noch anderes zu tun!

Und so findet der geneigte Kunde auf etwa jeder zweiten Berater-Website „maßgeschneiderte Lösungen“ oder ein Seminarangebot, „individuell auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt“. Mit „bestens geschulten Mitarbeitern“ und „kompetenten Partnern“ wird für „nachhaltigen Erfolg“ gesorgt. Da werden „geeignete Maßnahmenpakete geschnürt“. Man zeichnet sich durch „innovatives Denken“ aus und ist selbstverständlich der „optimale Ansprechpartner“ für was-auch-immer. Wirkt alles ein wenig oberflächlich und lieblos.

Ihr Angebot hat etwas mehr Liebe verdient

Es ist der Wurm im Text. Dieser Wurm ist glitschig und fleischfarben und außerdem ein recht fieser Kerl. Man kann ihn nicht greifen, denn er flutscht einem durch die Finger, kaum dass man ihn wahrnimmt. Mit einem Wort: Er hat kein Potenzial, jemals ein Ohrwurm zu werden, gar keines. Denn so schnell er im Gehirn des Schreibers ist, so schnell verdünnisiert er sich im Gehirn des Lesers. Er hinterlässt nichts als eine weitere Luftblase oder bestenfalls ein paar öde Fragezeichen, bevor der mögliche Kunde die Website wegklickt oder das Angebot mit einem Kopfschütteln zur Seite legt. Wieder nicht das gefunden, was er gesucht hat.

Der Grund: Diesem Wurm fehlt es ganz ordentlich an Pep. Er sagt nichts aus. Was sind schon „geeignete Maßnahmenpakete“? Geeignet für wen oder was? Maßnahmen? Das ist in etwa der oberste Überbegriff  für alles Tun und Schaffen. Pakete – klar, man möchte das Bild eines liebevoll eingewickelten Päckchens vermitteln. Doch ganz ehrlich, liebevoll wirkt dieser Wurm wirklich nicht. Eher eilig hingeworfen. Und abgelutscht außerdem. Das Wort „Maßnahme“ finden Sie im Web etwa fünfzig Millionen Mal.

Wenn Sie Ihren Kunden liebevoll begegnen wollen, investieren Sie ein wenig Liebe beim Schreiben Ihrer Texte. Machen Sie aus Ihrem „erstklassigen Coaching“ keine „Hilfe zur Selbsthilfe“, das kann Ihr Kunde nicht mehr lesen. Sondern beschreiben Sie Ihr Angebot so konkret wie möglich. Hier ist der erste Tipp von mir, wie Ihr Angebot unverwechselbar wird.

Machen Sie Ihr Angebot griffig: „Pars pro toto“ (Schreibtipp Nr. 1)

Ein Teil steht für das Ganze – das ist sinngemäß die Übersetzung dieses Spruchs. Die Idee ist, von abstrakten Wörtern wegzukommen und stattdessen stellvertretend einen konkreten Begriff zu nehmen. Also zum Beispiel schreiben Sie statt von „Kommunikationsmedien“ besser von E-Mails oder Handys. Und anstatt der „maßgeschneiderten Lösungen“ könnten Sie ein oder zwei konkrete Lösungen kurz umreißen, dann ist der Kunde im Bilde.

Die Psychologie dahinter: Abstrakte Begriffe sind schwer zu fassen. Sie erzeugen kein Kopfkino. Probieren Sie es selbst aus: Welches Bild und welche Emotionen entsteht beim Wort „Behausung“? Und was sehen und empfinden Sie, wenn Sie „Berghütte“ oder „Strandhaus“ lesen? Na sehen Sie.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Spiel mit den Worten!
Ihre Daniela Pucher

2 Comments

  1. Treffend, pointiert und schön formuliert. Ein Lesegenuss und bestes Beispiel dafür, wie Texte sein sollen!

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