Autoren unterscheiden sich von Nicht-Autoren dadurch, dass sie ihr wichtigstes Werkzeug gut zu nutzen wissen: die Sprache. Welche Vorteile das nicht nur für Leser hat, sondern auch für uns Autoren, erfährst du in diesem Artikel.
Kürzlich im Autorencoaching. Meine Kundin, mittlerweile mehrfache Sachbuchautorin mit dem Ritterschlag eines renommierten Verlags, wackelt nachdenklich mit ihrem Kuli. Wir tüfteln am bestmöglichen Wort.
„Es geht um viele hilfreiche Werkzeuge“, sagt sie, „von denen sich die Leser die für sie passenden zusammensuchen. Aber Werkzeugkiste klingt so technisch. Es soll ja ein psychologischer Ratgeber werden. Nur fällt mir kein besseres Bild ein. Ein Strauß, den man sich zusammenpflückt, um für bestimmte Situationen gerüstet zu sein?“
Gemeinsam überlegen wir, diskutieren die Wirkung der einen oder anderen Metapher, ob sie für die Leser passend ist – und auch, ob sie zum Sprachstil der Autorin passt. Denn auch das ist wichtig. Jeder, der professionell schreiben will, sollte seine „voice“ finden: die typische Stimme, die zwischen den Zeilen schwingt und die Haltung und Persönlichkeit der schreibenden Person transportiert.
„Kommunikation ist die Verbindung zwischen Menschen.
Die kann einem doch niemals egal sein!“
Das Ist-ja-egal-Syndrom
Erst kürzlich schrieb die Lektorin Kerstin Salvador auf LinkedIn darüber, dass manche Menschen ein gutes Lektorat nicht entsprechend würdigen würden. „Das wird man auch so verstehen“, ist der Grundtenor, schreibt sie. Das kenne ich auch. Was ich auch schon gehört habe: „Ja, dann sollen die Leser halt zweimal lesen, wenn sie es nicht gleich verstehen, ist doch kein Drama!“
Mir (und allen professionellen Menschen, die mit geschriebener Sprache arbeiten) geht es dabei nicht nur um Grammatik und Rechtschreibung. Sondern auch darum, die Worte so zu wählen, dass der Text verständlich ist – und zwar schon beim ersten Mal lesen. Das ist natürlich ein bisschen Arbeit und braucht Kreativität und Zeit!
Doch das sollte es uns wert sein. Kommunikation ist schließlich mehr als die Aneinanderreihung von Wörtern. Sie ist die Verbindung zwischen Menschen, die Währung, die unser Sozialleben erst möglich macht. Die kann uns also nicht egal sein.
Klarheit und Prägnanz für die Verständlichkeit
Schiefe Metaphern, um den heißen Brei herumschreiben, nicht gut erklären können: Es gibt viele Möglichkeiten, Leserinnen und Leser zu verwirren. Im schlimmsten Fall sind sie enttäuscht und verärgert und legen das Buch weg. Und wenn du ganz viel Pech hast, hinterlassen sie eine negative Rezension auf diversen Plattformen, die du hinnehmen musst, ob du willst oder nicht.
Das Spiel mit den Worten ist in Wahrheit mehr als ein Spiel. Es erfordert ein wenig Hingabe und Geduld, bis ein Text sitzt. Bis er verständlich ist und gerne weitergelesen wird.
„Einer muss sich plagen,
der Schreiber oder der Leser.“
Wertschätzung gegenüber dem Publikum
Was mich zu einem wichtigen Punkt führt: Zu sagen, der Leser solle gefälligst zweimal lesen, wenn er es nicht gleich versteht, ist arrogant und oberflächlich. Jedenfalls alles andere als wertschätzend. Und man schießt sich damit ins eigene Knie.
Der Journalist Wolf Schneider sagte einmal: „Einer muss sich plagen, der Leser oder der Schreiber. Und es wird bestimmt nicht der Leser sein!“ Es gibt tatsächlich nur ganz wenige Ausnahmen, wo du es dir leisten kannst, dich nicht zu plagen:
Wenn du Professorin bist und deine Studenten gezwungen sind, dein Buch zu lesen, dann werden diese sich zähneknirschend durchackern. Oder wenn du das einzige Buch weltweit zu diesem einen wichtigen Thema schreibst. Letzteres können wir so gut wie ausschließen. Ersteres hat dazu geführt, dass Fachbücher einen so schlechten Ruf haben.
Authentizität des Autors
Als Autorin willst du bestimmt nicht einen Text von der Stange produzieren. Einen solchen bekämst du übrigens, wenn du die KI schreiben lässt. Doch ob mit oder ohne KI, wenn du dir als Autor einen Namen machen willst, brauchst du eine „Voice“, so nennt man das in unserem Fachjargon. Die unverwechselbare Stimme also, die die Persönlichkeit der Autorin widerspiegelt.
Das ist natürlich ein hoher Anspruch, aber er ist erreichbar und auch notwendig, wenn du ein Qualitätsbuch erschaffen willst. „Das ist wieder einmal ein typischer Daniela-Text“, sagte mir vor einiger Zeit eine Kollegin. Es sei die Art, wie ich meine Argumentation aufbaue, und vielleicht auch der österreichische Schlag, den man beim Lesen irgendwie mitbekäme, meinte sie.
Authentische Texte zu schreiben heißt aber nicht, so zu schreiben, wie einem der Schnabel gewachsen ist. „Zu schreiben wie man spricht“ ist zwar ein alter Schreibtipp, doch wortwörtlich sollte man ihn nicht nehmen. Der Tipp ist bloß als Schuhlöffel gedacht, mit dem man leichter ins Schreiben kommt. Überarbeitet muss der Text dann immer werden.
„Sprache ist nicht nur Ausdruck des Wissens,
sondern auch der Seele.“
Emotionale Verbindung zu den Leserinnen und Lesern
Sprache ist ist nicht nur Ausdruck des Wissens, das man im Kopf hat, sondern auch der Seele. Und beides will gepflegt sein. Im einen Fall geht es um Verständlichkeit, wie bereits beschrieben. Genauso wichtig sind aber die Emotionen, die ein Text triggert, und das tut jeder Text. Jeder, selbst ein scheinbar emotionsloser.
Wie findest du beispielsweise trockene, spaßbefreite Texte? Vielleicht freust du dich, dass die Autorin auf Schnörkel verzichtet hat und du dich mehr auf die Sache konzentrieren kannst. Vielleicht aber findest du ihn fad und lähmend. In beiden Fällen empfindest du eine Emotion. Als Autorin solltest du dich entscheiden, welche Art von Leserinnen und Leser du haben möchtest. Wofür du stehen möchtest. Für trockene Texte, für humorvolle, für elaborierte, luftige … Welche Art passt, sagt dir deine Persönlichkeit.
Kreativität macht Spaß
Deine eigene Stimme zu finden, das sollte dir Freude bereiten. Meinen Autorinnen und Autoren und mir geht es jedenfalls so: Wir tüfteln und spindisieren, wir überlegen und wägen ab, wir brainstormen und lassen die Worte in uns wirken. Wie schwingt „Werkzeugkasten“ im Vergleich zu „Potpourri an Übungen“? Wie würde den Lesern „Toolbox“ gefallen? Oder wollen sie doch eher auf der Wiese der Möglichkeiten ihren eigenen Strauß pflücken? Einen Reisekoffer packen, den sie überall hin mitnehmen können?
Meine Autorin und ich haben jedenfalls eine passende Lösung für ihre Frage gefunden. Eine, die zu ihrer sanften, liebevollen Sprache passt. Eine, die ihren Leserinnen und Lesern gefallen wird.