In Denkgeschwindigkeit schreiben

In Denkgeschwindigkeit schreiben

Kategorie: Danielas Melange

Wie viele Schreiberinnen und Schreiber sitze ich tagtäglich vor der Tastatur. Ich schreibe im Zehn-Finger-System recht flott dahin. Als ich vor Ewigkeiten Maschinschreiben lernte, schaffte ich 360 Anschläge pro Minute, glaube ich. Das war auf einer behäbigen Kugelkopf-Schreibmaschine von IBM. Interessanterweise schreibe ich heute nicht schneller, obwohl die Tastatur meines Notebooks weit geschmeidiger ist. Es ist wohl die Korrekturtaste, die so problemlos zu bedienen ist, die einen ein bisschen schlampig werden lässt. (Wer Lust hat, seine Geschwindigkeit zu testen: http://www.zehnfinger.com/test.php)

Doch regelmäßig liebe ich es, mit der Hand zu schreiben. Ich mag schöne Notizbücher und edles Schreibwerkzeug. Ich liebe es, in meine Füllfeder Tinte in immer anderer Farbe aufzuziehen. Wenn die Feder satt über das Papier zieht, ist es für mich ein bisschen, als würde die Welt sich entschleunigen. Meine Gedanken, die es gewohnt sind, vor sich hin zu stürmen, dürfen einen Gang zurückschalten, ja, sie müssen sogar langsamer werden. Sonst komme ich mit dem Schreiben ja nicht mit!

Wie gut, wenn man die Schreibgeschwindigkeit dem Gedankenfluss anpassen kann

Thomas Chorherr schreibt in seinem heutigen Artikel in der Presse (Zwischen Hirn und Hand), dass die Handschrift die Brücke zur kindlichen Kreativität baut – weil wir als Kinder das Handschreiben gelernt haben. Schreiben mit der Hand, so zitiert er die Schreibtrainerin Amelie Gräf, sei nicht überflüssig. Es gibt sogar Untersuchungen, die bewiesen haben, dass die Interaktion zwischen Hirn und Hand am besten funktioniert. Handschrift hilft, weil sie aus der (schlechten) Routine und aus der Blockade lockt.

Das kann ich bestätigen, jedoch funktioniert das bei mir in beide Richtungen: Komme ich am Computer mit meinem Text nicht weiter, hilft der Griff zu Papier und Feder. Und umgekehrt muss ich manchmal dringend mein Notebook einschalten, wenn ich per Hand in mein Tagebuch schreibe, weil mich plötzlich ein Gedanken-Flow überschwemmt, der ein schnelleres Schreiben erfordert. Da bringt mich das Handschreiben ins Strudeln, die Ideen kommen ins Stocken, überholen sich gegenseitig.

Beim Handschreiben werden Gedanken besser gebündelt

Was ich auch feststelle, ist, dass ich beim Schreiben mit der Hand in bestimmten Situationen viel effizienter bin. Das Geschriebene ist im Nachhinein besser verwertbar. Beim Mitschreiben in einem Seminar oder Vortrag zum Beispiel. Ich denke, dass mir hier die Langsamkeit des Handschreibens insofern entgegenkommt, als ich zur Effizienz gezwungen bin. Ich höre, was der andere sagt, und filtere sofort das Wesentliche heraus, das ich dann aufschreibe, weil für mehr die Zeit einfach nicht reicht. Das hat einen wunderbaren Lerneffekt. Ich habe festgestellt, dass ich viel mehr behalten kann. Wenn ich mit dem Notebook auf den Knien mitschreibe, ist dieser Filter stark reduziert, ich setze also viel weniger Hirnschmalz ein – und merke mir weniger.

Wenn ich jemanden interviewe, differenziere ich: Dient das Interview dazu, Inhalte für einen Artikel zu generieren, schreibe ich mit der Hand, um diese Effizienz zu nützen. Wird es als Interview abgedruckt, ist mir die individuelle Sprache meines Gegenübers wichtig, daher schreibe ich teilweise wortwörtlich auf dem Notebook mit. Was also das angebliche Aussterben der Handschrift anlangt – für mich ist das kein Thema.

 

9 Comments

  1. Berufsbedingt schreibe ich sehr viel – sehr viel mit der Hand, nicht nur flott, sondern extrem flott: Ich muss die Aussagen meiner Gesprächspartner ja möglichst genau erfassen, Stichwörter reichen mir da nicht. Allerdings hat das die Entwicklung (m)einer Sauklaue extrem gefördert. Umso mehr liebe ich es, meine diversen „privaten“ Notizbücher mit Impulsen, Ideen, Gedanken, Überlegungen zu füllen und dabei meine Gedanken in ruhigere Bahnen zu lenken. Das gelingt mir nicht immer ;-). Und: Nicht immer, aber meistens, kriege ich es hin, dass ich meine Sauklaue bändige und meine Schrift als schön empfinde.

  2. Ich liebe es auch, zwischendrin wieder von Hand zu schreiben. Weil es so sinnlich sein kann. das schöne glatt Papier, der farbige Stift, die Möglichkeiten dazwischen auch ein Schnörkel zu machen…

    • Sinnlich, genau das ist es!

  3. Ich liebe es mit der Hand zu schreiben! Habe mehrere Notizbücher, die ich täglich nutze. Handgeschriebenes merkt man sich auch besser 🙂

  4. Handschriftlich schreibe ich eigentlich nur noch Besprechungsnotizen, Einkaufszettel – und die Urfassung meiner Buchvorstellungen. Da sind dann manchmal kleine Skizzen mit drin, Namenslisten, Mindmapping-Elemente – es ist eine wüste Kritzelei, bis ich alles zusammengesammelt habe, was ich sagen will. Dann erst wird es am Computer in lesbare Form gegossen. Den Block mit den Notizen schleppe ich auch tagelang durch die Wohnung, schreibe in der Küche, im Wohnzimmer und ggf. auf dem Balkon.

    Je komplexer die Materie, desto mehr Handarbeit ist vonnöten. Einen klaren Krimi-Plot ohne 50 Nebenfiguren und achtunddrölfzig Handlungssträngen schaffe ich auch ohne Notizen, gleich am PC.
    (Ausschauen tut das ganze allerdings wie Höllensau. Meine Schrift ist eine Katastrophe.)

    • 🙂 Das musst ja auch nur du lesen können, nicht? Interessant, wie intensiv du handschriftliche Notizen nützt! Und besonders schön, wenn das mit Skizzen ergänzt wird. Werde ich in Zukunft auch wieder mehr machen, danke für die Anregung, Edith!

  5. Du schreibst mir aus der Seele, Daniela. Ich kann mir bei handgeschriebenen Notizen viel besser merken, was wichtig war, sei es im Interview oder beim Ideensammeln für ein Buch. Die Verbindung zum Hirn – und zum Herzen – ist enger, das kann ich fast körperlich spüren!

  6. Als Online-Journalistin, Bloggerin und Content-Lieferantin schreibe ich kaum noch auf Papier. Klar, Einkaufslisten, Telefonnotizen, Info-Zettel für die Lehrer meiner Kinder … Ab und an noch mal Niederschriften bei Interviews. Schade, es ist doch recht wenig. Dabei liebe ich das Schreiben auf Papier! Hab’s sogar kunstvoll erlernt. Ich halte meine Kinder aber oft an, mir Briefe zu schreiben, wenn sich etwas schwer sagen lässt … Oder kleine Geschichten als Zeitvertreib. Dabei habe ich bemerkt, auch wenn ich selbst kaum noch auf Papier schreibe – die Leidenschaft dafür lässt sich weiterreichen …

    • Du hast es „kunstvoll gelernt“? Aber wohl nicht in der Schule, oder?

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