Akquise ist das falsche Wort

Akquise ist das falsche Wort

Kategorie: Sachbuch-Marketing

Es ist tatsächlich ein Kreuz mit der Akquise, habe ich mir gedacht, als ich von Birte Vogels Blogparade zum Thema „Akquise für (frei-)beruflich Schreibende“ las. Es sind ja nicht nur die Kreativen, die ein Problem damit haben. Die Aversion vor dem Verkaufen ist wohl unter allen Selbstständigen weit verbreitet. Und auch ich behaupte ja mitunter immer noch, dass ich keine gute Verkäuferin bin – nach elf Jahren erfolgreicher Selbstständigkeit!

Da dachte ich, ich frage mal einen Experten. Claus-Dieter Beck ist Unternehmensberater und Trainer für Vertrieb. Über Kundenbindung und Beziehungsmanagement spricht er besonders gern. Und dass Verkaufen seine Herzenssache ist, versteht sich von selbst.

Tipp No. 1: Über Geld darf und soll man sprechen

DP: Claus, für viele ist Akquise ein Albtraum. Warum ist das so?

CDB: Die meisten, die sich selbstständig machen, sind es deshalb, weil sie das gerne tun, was ihr Unternehmensgegenstand ist, und nicht, weil sie gerne verkaufen. Ein Grafiker findet seine Befriedigung im Gestalten. Seine Motivation ist nicht, ein Design zu verkaufen, sondern es zu erschaffen. Oder in deinem Fall: Du bietest Ghostwriting an, weil du für dein Leben gern Bücher schreibst, vermutlich erst in zweiter Linie, weil du Geld verdienen musst. Für Letzteres könntest du ja auch etwas Einfacheres machen.

Ein weiterer Punkt ist sicher der Selbstwert. Selbstständige definieren sich oft über die Anzahl toller Projekte, aber nicht, wie viel Umsatz sie dabei gemacht haben. Viele Kreative gehen sogar so weit, dass sie ein Projekt beginnen, ohne überhaupt einen klaren Rahmen vereinbart zu haben. Nach dem Motto: Das ist ja so ein genialer Auftrag, alles andere wird sich schon ergeben. Und dann haben sie das Nachsehen. Und alles nur, weil sie nicht gern über Geld sprechen.

Der dritte Punkt ist die Unsicherheit. Selbstständige haben kein Gerüst in Form eines relativ stabilen Unternehmens um sich herum, sie entwickeln sich und ihre Produkte ständig weiter und müssen sich immer wieder neu erfinden. Sie können sich also nicht auf etwas Stabiles stützen und das macht unsicher. Aus der Unsicherheit lässt sich nicht gut verkaufen.

Du kennst viele angestellte Verkäufer in Konzernen. Was unterscheidet einen Selbstständigen von diesen Profi-Verkäufern?

Nun, ein Sales-Mitarbeiter hat eben ein stabiles Gerüst. Er kann sagen: Da gibt es den Konzern, der seit dreißig Jahren dieses Produkt anbietet. Er kann mit Hochglanzprospekten beeindrucken, mit einer Börsennotierung usw. Das hat ein Selbstständiger alles nicht. Eine Werbetexterin oder Journalistin hat eine Visitenkarte dabei und vielleicht eine schöne Website, und das war es dann auch schon.

Sales-Mitarbeiter werden außerdem vom Management geführt. Sie müssen so und so viele Kundengespräche pro Woche absolvieren, Umsatzziele erreichen oder andere Kennzahlen. Manche Selbstständige setzen sich auch Ziele – doch es macht schon noch einen Unterschied, ob man die Einhaltung der Ziele einer Obrigkeit gegenüber rechtfertigen muss oder nur sich selbst gegenüber.

Außerdem sind Selbstständige alles in Personalunion: Sie arbeiten in der Produktion, in Marketing und Vertrieb, in der Entwicklung und die Finanzen müssen sie auch noch erledigen. Und noch etwas: Verkauf wird in der Betriebswirtschaft gelehrt. Aber ich bezweifle, dass Architekten, Germanisten oder Grafiker an der Hochschule viel mehr als ein kleines Marketingseminar besucht haben. Woher also sollen sie wissen, wie sie es richtig angehen? Sie haben daher auch ein falsches Bild vom Verkauf.

Was wäre das richtige Bild?

Erstens muss sich jede freie Journalistin, jede Lektorin, jeder IT-Berater klar sein, dass sie auch Unternehmerin ist. Man muss auch ein Einzelunternehmen im Prinzip so führen, als hätte man mehrere Angestellte. Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zwischen dir und einem Dietrich Mateschitz, der Red-Bull-Dosen verkauft. Die unternehmerische Haltung muss dieselbe sein.

Tipp No. 2: Sich für die Kunden aufrichtig interessieren

Wie machst du Akquise? Was ist entscheidend, dass du erfolgreich bist?

Indem ich meinen Allerwertesten in die Büros meiner Kunden bewege. Für mich heißt Akquise, dass ich mich mit meinen Kunden beschäftige: Was sind ihre aktuellen Themen? Worüber denken sie gerade nach? Welche Wünsche haben sie? Ich verkaufe ja keine Dienstleistung, sondern eine Wunschvorstellung: etwas, das ihnen Erleichterung bringt. Und ich will herausfinden, was das ist und wie ich das erfüllen kann.

Das hört sich an, als wäre es sehr zeitaufwändig. Wie findest du diese Zeit?

Ich nehme mir diese Zeit, weil es mir wichtig ist, mit meinen Kunden Kontakt zu halten. Ich interessiere mich für sie, das tue ich wirklich. Ich halte nicht viel von Zeitmanagement. Entscheidend ist, dass es wichtig für mich ist – dann habe ich automatisch auch die Zeit dafür.

Ich halte es so: Es gibt – wie schon erwähnt – vier wesentliche Bereiche, um die ich mich als Selbstständiger kümmern muss: Produktion, Marketing, Entwicklung, Finanzen. Und ich reserviere jedem dieser Bereiche 25 Prozent meiner Zeit. Das heißt, wenn ich zum Beispiel sechs Seminartage pro Monat verkaufen möchte, dann investiere ich ebenso viele Tage jeweils in die anderen Bereiche.

Und wenn ich merke, dass mir das zu wenig Einkommen bringt, dann muss ich den Preis erhöhen. Es wäre fahrlässig, dann mehr Zeit in die Produktion zu stecken zu Lasten der Akquise oder Entwicklung zum Beispiel. Wenn ich, sagen wir, 80 Prozent meiner Arbeitszeit in der Produktion verbringe, habe ich keine Zeit, die Beziehung zu meinen Kunden zu pflegen. Dann ist das Projekt zu Ende – und ich stehe ohne neuem Auftrag da. So passiert es vielen!

Was machst du konkret, um diesen Kontakt zu halten?

Ich suche den persönlichen Kontakt. Ich möchte den Kunden gern wieder sehen, also vereinbare ich telefonisch einen Termin.

Und deine Kunden nehmen sich dann auch die Zeit, einfach so zum Plaudern?

Aber sicher. Weil ich überzeugt bin, dass sie sich auch gern mit mir treffen. Außerdem möchte ich sie treffen, weil ich mich für sie interessiere, und nicht, weil ich ihnen etwas verkaufen will. Würde ich sie nur deshalb anrufen, weil ich ihnen etwas verkaufen will, hätte ich keinen Erfolg.

Nicht weil man etwas verkaufen will, macht man einen Akquise-Termin, sondern weil man sich für den Menschen und seine Bedürfnisse interessiert?

Genau so ist es. Wenn ich ein Projekt abgeschlossen habe, rufe ich nachher an, weil es mich interessiert, wie es ihnen nach meinem Seminar mit der Umsetzung geht. Projekt abgeschossen und hinter mir die Sintflut, das gibt es bei mir nicht. Das ist Kundenbindung – mein Ziel dabei ist, dass er mich wieder beauftragt und dass er mich in seinem Netzwerk weiterempfiehlt.

Tipp No. 3: Das persönliche Gespräch suchen

Was würdest du für die Akquise nie machen?

Kaltakquise würde ich mir nie antun, das zahlt sich nicht aus, der Aufwand ist viel zu hoch für den Ertrag, den man dabei erzielen kann. Ich arbeite lieber an meinen Kundenbeziehungen, das ist viel ergiebiger und macht auch mehr Freude. Und ich würde nie einfach so irgendwelche Folder verschicken, ich finde, das ist Blödsinn.

Hattest du schon unangenehme Akquise-Gespräche? Das ist ja das, wovor wir uns ein bisschen fürchten.

Ja klar. Immer wenn man erlebt, der Kunde kann die Leistung nicht anerkennen, nicht wertschätzen, fühlt man es als Abwertung. Ich bin dann aber eher froh, dass ich das gleich merke und nicht erst am Ende des Projekts. Denn wie es beginnt, so endet es auch. Wenn ich am Anfang ein ungutes Gefühl habe, dann werden garantiert am Ende Rechnungen nicht bezahlt oder Ähnliches. Das Schlimmste, was mir bei so einem unangenehmen Kunden passieren kann, ist, dass er trotzdem bestellt. Dann lehne ich aber ab.

Tipp No. 4: Nicht die Anzahl verkaufter Stunden, sondern der Ertrag muss stimmen

Was würdest du uns Schreibenden raten? Also uns Ghostwritern, Werbetexterinnen, Journalistinnen?

Die meisten Selbstständigen fokussieren auf Auslastung, aber nicht auf Ertrag. Also: Es ist ihnen wichtig, dass sie viele Stunden abrechnen können, aber nicht, dass ihnen unter dem Strich genug übrig bleibt. Dann kommen sie schnell in die Arbeitsüberlastung. Ich habe einmal mit befreundeten Architekten ein für sie sehr erfolgreiches Projekt nachgerechnet. Am Ende waren sie schockiert, weil sie auf einen Stundensatz kamen, der die Hälfte von dem eines Installateurs war. Und dafür haben sie jahrelang studiert?

Mein Rat ist also: Schaff dir ein Cockpit an, wie ein Armaturenbrett im Auto, an dem du immer einen Blick auf deine vier wichtigen Bereiche Produktion, Akquise, Entwicklung und Finanzen hast. Du musst ja nicht das Jahr bis ins Kleinste durchplanen. Aber schaffe dir eine Möglichkeit, mit der du jederzeit erkennen kannst, wenn du etwas verändern musst: Produkte und Standards weiterentwickeln, Preise erhöhen usw. Und reserviere ein Viertel deiner Arbeitszeit für die Pflege deiner Kundenbeziehungen.

Zentral ist zu wissen, was ich zu sagen habe, welche Handschrift ich habe. Wie ist mein Wiedererkennungswert? Was hebt mich von anderen ab? Dann geht es im Grunde nur noch darum, das zu kommunizieren. Wo will ich hin? Kann ich als kleine Journalistin für die Süddeutsche schreiben? Wenn ich selbst daran glaube, dann geht das auch. Dann finde ich Menschen, die Kontakte in diese Richtung haben. Es ist im Übrigen völlig legitim zu fragen: Wen kennst du, der meine Leistung brauchen kann? Kann ich die Kontaktdaten haben?

Tipp No. 5: Menschen begeistern, nicht akquirieren, ist das Motto!

Hast du noch einen abschließenden Tipp, wie man aus dem Albtraum Akquise einen Traum macht?

Wenn du nicht begeistert bist von dem, was du machst, brauchst du gar nicht akquirieren gehen. Wenn du begeistert bist, dann wirst du es nicht als Akquise empfinden, wenn du jemandem mit all deinem Esprit von deinen Vorhaben erzählst. Akquise ist einfach nur das falsche Wort. Richtig muss es heißen: Menschen begeistern!

Danke, Claus, für dieses Gespräch! www.cdb-sales.at

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